Pestepidemie 1679

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1679 sterben in Wien zahlreiche Menschen an der großen Pest.
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Naturereignis
Datum von 1. Jänner 1679
Datum bis 30. April 1680
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 50205
GND
WikidataID
Objektbezug Frühe Neuzeit
Quelle
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Bildname Pest 1679.jpg
Bildunterschrift 1679 sterben in Wien zahlreiche Menschen an der großen Pest.

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Verlauf

Nachdem die Pest zuletzt 1653-1656 Wien heimgesucht hatte näherte sich die Seuche vom Osmanischen Reich, wo seit 1671 Epidemien wüteten, Ungarn und dann auch Ostösterreich. Auf Drängen des Hofmedikus Paul de Sorbait wurde zwar bereits im Sommer 1678 von der niederösterreichischen Regierung erhöhte Sauberkeit und Meldepflicht für ankommende Fremde eingemahnt, doch insgesamt nahm man die Bedrohung auf die leichte Schulter. Im Spätherbst 1678 traten die ersten Pestfälle in der Leopoldstadt auf, die als „hitziges Fieber“ klassifiziert wurden. Der Webergeselle Jakob Meckhitz war möglicherweise am 1. November 1678 ihr erstes Opfer. Im Winter 1678/79 grassierte die Seuche noch immer hauptsächlich in der Leopoldstadt. Sorbait suchte nun die niederösterreichische Regierung schon zu diesem Zeitpunkt davon zu überzeugen, dass die ausgebrochene Seuche die Pest sei, doch wurden seine Warnungen ignoriert. Erst als im Juli 1679 die Zahl der Todesfälle dramatisch anstieg wurde der Pestausbruch zur Gewissheit. Die Seuche erlebte im September mit fast 3000 nachweisbaren Todesopfern ihren Höhepunkt und ebbte bis zum April 1680 ab. Die Zahl der in den Totenprotollen eindeutig feststellbaren Todesopfer betrug 7.196.[1] Auf Basis von falschen Zuordnungen und von auf der Flucht dahingeraffter Opfer wurde sie auf zumindest 12.000 geschätzt.[2] Damit ist aber wohl nur eine Untergrenze benannt. Die Umstände dürften zu einer deutlichen Untererfassung der Sterbefälle geführt haben. Tatsächlich lag die Zahl der Opfer wohl deutlich höher, wenigstens bei einem Fünftel der Einwohner.[3]

Die Maßnahmen der Obrigkeit

Trotz der Warnungen von Paul de Sorbait wurde der Ausbruch der Seuche bis Juli 1679 von den städtischen Behörden völlig ignoriert. Dann brach das Chaos aus. Die kaiserliche Familie und ein Großteil des Hofes verließ die Stadt. Leopold I. mit seinem Hofstaat floh über Umwege nach Prag.[4] Tote lagen tagelang auf den Straßen herum. Nur wenige waren bereit als Siechenknecht und Totengräber zu arbeiten. Kranke lagen tagelang am Tiefen Graben auf Sammelwägen, vor dem Stubentor häuften sich infizierte Betten, Stroh, Leichen. Sorbait ordnete an, dass die Toten in Pestgruben bestattet und mit ungelöschtem Kalk überschüttet werden sollten. Diese Pestgruben wurden über die Vorstadtzone verstreut angelegt. Trotz strengem Verbot wurden auch am Stephansfreithof 353 Pestleichen beerdigt.[5] Der Magister Sanitatis und Lazarettvater suchten sich an den Toten zu bereichern und wurden auf Anordnung Sorbaits öffentlich gehängt.[6] Zahlreiche Ärzte und Geistliche die die Kranken besuchten fielen der Seuche zum Opfer.

Die Pest im kollektiven Gedächtnis

Nach Ende der großen Pestepidemie erinnerte zunächst ein hölzerne, später eine steinerne Dreifaltigkeitssäule Pestsäule (1, Graben) an das Ereignis, welches als Dank vor deren Abklingen wegen eines Gelübdes Kaiser Leopolds I. errichtet wurde. In der Folge fanden bis in das 18. Jahrhundert regelmäßige Pestprozessionen statt. Auch die Legende vom Lieben Augustin entstand. Den größten literarischen Widerhall lieferte Abraham a Sancta Clara in seinem Buch „Mercks Wien“ in dem er in barocker Wortgewalt die Ereignisse während der Pestepidemie als göttliche Strafe deutete. Der Hofprediger war jedoch kein Augenzeuge. Er hielt sich zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Epidemie in der Steiermark auf. Eingang fand die Pestepidemie von 1679 auch in das Werk des Paulinerpaters Matthias Fuhrmann der Überlebende der Epidemie noch gekannt haben dürfte. Er berichtet von auf die Straße geworfene kostbare Kleider, Möbel und Bettzeug.

Literatur

  • Abraham a Sancta Clara: Mercks Wienn 1680. Unter Mitarbeit v. Franz M. Eybl hrsgg. v. Werner Welzig. Tübingen 1983
  • Edmund Friess, Gustav Gugitz: Zur Pestperiode 1679-1680 in Wien. In: Mitteilungsblatt des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 1937, S. 119-122.
  • Michael Pölzl: In höchster Not - Der Hof in Krisenzeiten. In: Irene Kubiska-Scharl - Michael Pölzl: Das Ringen um Reformen. Der Wiener Hof und sein Personal im Wandel (1766-1792) (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 60 (2018), S. 227-284
  • Franz H. Laifle: Die Pest in Wien 1679. In: Archiv für Hygiene und Bakteriologie 119 (1937), S. 42-60.
  • Ferdinand Olbort: Die Pest in Niederösterreich von 1653 bis 1683. Ungedr.Diss., Wien 1973.
  • Franz Patzer (Hg.): Die Pest in Wien – 300 Jahre lieber Augustin. 188. Wechselausstellung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek. Wien 1979
  • Hilde Schmölzer: Die Pest in Wien. „Deß wütenden Todts Ein umbständig Beschreibung“. Berlin: Verlag der Nation 1988
  • Andreas Weigl: Frühneuzeitliches Bevölkerungswachstum. In: Peter Csendes, Ferdinand Opll (Hg.), Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 2: Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert), hrsgg. v. Karl Vocelka, Anita Traninger, Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2003, S. 109-131.

Einzelnachweise

  1. Edmund Friess, Gustav Gugitz: Zur Pestperiode 1679-1680 in Wien. In: Mitteilungsblatt des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 1937, S. 119 f.
  2. Ferdinand Olbort: Die Pest in Niederösterreich von 1653 bis 1683. Ungedr.Diss., Wien 1973, S. 111-113
  3. Andreas Weigl: Frühneuzeitliches Bevölkerungswachstum. In: Peter Csendes, Ferdinand Opll (Hg.), Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 2: Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert), hrsgg. v. Karl Vocelka, Anita Traninger, Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2003, S. 112.
  4. Michael Pölzl: In höchster Not - Der Hof in Krisenzeiten. In: Irene Kubiska-Scharl - Michael Pölzl: Das Ringen um Reformen. Der Wiener Hof und sein Personal im Wandel (1766-1792) (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 60 (2018), S. 231 f.
  5. Hilde Schmölzer: Die Pest in Wien. „Deß wütenden Todts Ein umbständig Beschreibung“. Berlin: Verlag der Nation 1988 S. 99 f.
  6. Franz Patzer (Hg.): Die Pest in Wien – 300 Jahre lieber Augustin. 188. Wechselausstellung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek. Wien 1979, S. 5 f.