S. Fischer Verlag

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Verlag
Datum von 11. Februar 1919
Datum bis 19. September 1933
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 69407
GND
WikidataID
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Letzte Änderung am 19.11.2020 durch WIEN1.lanm09mer
  • 3., Marokkanergasse 11
  • 1., Bräunerstraße 3

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48° 11' 55.07" N, 16° 22' 49.90" E  zur Karte im Wien Kulturgut

[IN ARBEIT!! NICHT BESTÄTIGEN!!]

Als sich der Schwiegersohn S. Fischers, Dr. Gottfried Bermann-Fischer, im Jahre 1936 mit seinem „Sezessionsverlag“ nun doch in Wien niederließ, war dies schon das zweite Mal, daß die Verlagsfirma „Fischer“ in der österreichischen Hauptstadt präsent war. Schon seit der Jahrhundertwende und davor hatten einige wenige reichsdeutsche belletristische Verlage den Markt in Österreich vollkommen beherrscht, allen voran S. Fischer, dessen Verlagsautoren zweifellos mit dem, was heute die „österreichische Literatur“ dieser Zeit ausmacht, synonym sind, aber auch der L. Staackmann Verlag und der Insel-Verlag in Leipzig und der Georg Müller Verlag in München. Obwohl man über keine Statistik verfügt, verlegten diese Unternehmen den überwiegenden Teil belletristischer Literatur aus Österreich und verkauften ihn dorthin. Dennoch scheint sich das Interesse dieser Verlage, in Wien eine Filiale oder eine Niederlassung zu errichten, sehr in Grenzen gehalten zu haben, bis die Zeitumstände etwa im letzten Kriegsjahr in Deutschland Wien kommerziell als Ausweich möglichkeit attraktiv erscheinen ließen.

Schon seit Anfang 1918 plante der Berliner S. Fischer Verlag konkret in Wien eine „österreichische Filiale“ zu errichten. Aber das eigentliche Motiv ging vorerst aus den öffentlichen Ankündigungen nicht hervor. Als im November 1918 Verhandlungen mit Wiener Stellen bereits sehr weit gediehen waren, kaufte Fischer eine halbe Seite in der Buchhändler-Correspondenz, um die Eröffnung einer solchen „österreichischen Filiale“ bekanntzugeben: „Auf Wunsch und im Interesse unserer österreichischen Autoren, deren wir gegenwärtig 35 zählen (…)“ heißt es da u.a. Mit der Führung der Geschäfte beauftragt wurde – auf Empfehlung Arthur Schnitzlers – „unser Vertreter, Herr Dr. Richard Rosenbaum (…)“[2] „Der Ausbau unserer österreichischen Filiale ist für die Zeit nach dem Kriege in Aussicht genommen.“ (ebda.) Das muß man allerdings als „public relations“-Geste interpretieren. Schon im August 1917 hatte Fischer den Gedanken erwogen, einen Teil seiner Verlagsproduktion in Österreich drucken zu lassen. [3] Besonders im letzten Kriegsjahr fand er sich in einer Zwangslage, da er etwa für den notwendig gewordenen Neudruck der Gesamtausgabe Schnitzlers kaum Papier zur Verfügung hatte. [4] In einem Brief an Schnitzler vom 7.3.1918 meint Fischer, daß die Wiener Papierbelieferung überhaupt den Zweck hatte, die österreichischen Autoren sicherzustellen:

Bekomme ich also Papier in Wien, so werde ich in einem solchen Fall aus technischen Gründen Bücher österreichischer Autoren in Deutschland und als Kompensation wieder Bücher deutscher Autoren in Österreich drucken müssen … [5]

„Fischer war der Auffassung, ,daß die österreichische Regierung eine moralische Verpflichtung hätte, mich bei der Drucklegung von Werken österreichischer Autoren zu unterstützen, in einer Zeit, wo in Deutschland das Papier knapp ist und wo von Österreich die Papierausfuhr gesperrt ist. ‚Es war ihm bekannt, daß einige deutsche Verleger bereits in Österreich drucken ließen, ,ohne sich an die Regierung zu kehren“, und er war mithin der Meinung, ,daß mir meine österreichischen Autoren nunmehr auch bei der Beschaffung der nötigen Papierquanten in Österreich behilflich sein könnten.““ [6] Mit dem Papierfabrikanten Ernst Prinzhorn wurden in Wien Verhandlungen aufgenommen, und Papierlieferungen wurden in Aussicht gestellt.

Voraussetzung war jedoch, daß der S. Fischer Verlag, um eine Zuteilung zu erhalten, in Wien eine Zweigstelle oder Filiale einrichte. Fischer war von diesem Gedanken nicht sonderlich begeistert, wollte sich aber „einem solchen verhältnismäßig bescheidenen Plan nicht grundsätzlich verschließen“.

Doch alsbald kam hinter dem „verhältnismäßig bescheidenen Plan“ ein wesentlich unbescheidener zum Vorschein. Prinzhorn erblickte in der Wiener Niederlassung des weltberühmten S. Fischer Verlags die Möglichkeit zur Schaffung jenes großen österreichischen Verlags, der in Wien bisher immer gefehlt hatte und mit dessen Hilfe eine große Anzahl der zu reichsdeutschen Verlegern abgewanderten österreichischen Schriftsteller unter der Flagge des S. Fischer Verlags sich nach Österreich würde zurückholen lassen. Prinzhorn veranlaßte den Unterhändler Zifferer, Fischer die Gründung eines eigenen österreichischen Verlags „für die sozialen, politischen und kulturellen Interessen Österreichs auf breiter Grundlage“ vorzuschlagen, an dem sich österreichisches Kapital durch österreichische Papierfabriken beteiligen werde. [7]

Doch dachte Fischer „keinen Augenblick daran“, etwas den Vorstellungen Prinzhorns entsprechend zu realisieren. Er schien es nur auf das verfügbare österreichische Papier abgesehen zu haben. Entsprechend fiel die Reaktion Prinzhorns auch aus:

Mir scheint, daß Fischer lediglich Interesse für sein Papier hat und daß ihm die Gründung eines österreichischen Verlages ziemlich gleichgültig ist. Damit, daß Fischer lediglich Aufsichtsrat eines Unternehmens wird, das wir zu gründen hätten, ist uns nicht gedient. Wie ich mir die Sache vorgestellt habe, müßte Fischer Spiritusrektor der ganzen Sache sein, und wir hätten lediglich für gewünschtes Kapital, Druck und Papier zu sorgen. [8]

Angesichts der Tatsache, daß Prinzhorn Fischers „wahres Interesse“ an Österreich – nämlich als Papierlieferant – erkannt hatte, drehte Fischer den Spieß um, wie er es brauchte:

Bitte geben Sie Herrn Prinzhorn davon Nachricht. Ich bin bereit, nach Wien zu kommen, wenn die Frage des Papierbedarfs für meinen Verlag von dem Plan der Gründung eines österreichischen Verlags vollkommen getrennt wird, sehe aber andererseits keine Veranlassung dazu, bei der Gründung eines österreichischen Verlags behilflich zu sein, wenn ich nicht auf ein Entgegenkommen im Interesse der österreichischen Autoren meines Verlages zu rechnen habe. [9]

In derselben Angelegenheit schrieb Fischer am 10.4.1918 an Schnitzler:

Wenn die österreichischen Autoren Herrn Prinzhorn die Erklärung abgeben, daß sie für seinen österreichischen Verlag nicht zu haben sein werden, wenn er jetzt in unlauterer Weise [!] die Papiernot in Deutschland zu Ungunsten der in Deutschland verlegten österreichischen Autoren ausnutzt, so könnte damit ein wirksamer Druck auf Prinzhorn ausgeübt werden … [10]

Diese „haltet den Dieb“-Taktik setzte Fischer auch fort, um allein sich und seinem Verlag in Berlin zu dienen, wie aus der etwas einseitigen Darstellung de Mendelssohns hervorgeht.

Daß der S. Fischer Verlag seine Wiener Filiale in der Wohnung seines Wiener Vertreters Rosenbaum hatte, sagt über den geplanten Geschäftsumfang in Österreich ziemlich viel aus. Nach der Anzeige in der Buchhändler-Correspondenz vom November 1918 zu schließen, hatte man inzwischen in der Papierfrage wenigstens einen Mindestkonsens erreicht. Nach de Mendelssohn hatte die Wiener Filiale am 15. Oktober 1918 zu arbeiten begonnen (S. 775). Ein Erfolg in Fischers Mindestengagement in Österreich war die Möglichkeit, im selben Monat Schnitzlers Gesammelte Werke neu zu drucken.

Zumal Ernst Prinzhorn Generaldirektor der Elbemühl Papierfabriks- und Verlags-Gesellschaft (was de Mendelssohn nicht erwähnt) und zugleich Verwaltungsratsmitglied (seit 1912) bei Waldheim-Eberle war, ist es nicht verwunderlich, daß die Druckaufträge Fischers hauptsächlich von Waldheim-Eberle erledigt wurden. Der einzige Hinweis auf „Wien“ in den Wiener Verlagserzeugnissen findet sich nicht im Impressum, sondern nur als Angabe unter dem Verlagssignet (einem Fischer mit Netz), das einem spiegelgleichen Signet mit der Bezeichnung „Berlin“ gegenübergestellt ist.

Obwohl Fischer schon mit Erlaß der n.ö. Statthalterei vom 24.10.1918 die Konzession zum Betriebe einer Verlagsbuchhandlung im Standorte Wien III., Marokkanergasse 11 (angeblich im selben Haus, wo der Wiener Vertreter wohnte!) erhielt, dauerte es noch eine Weihe bis zur handelsgerichtlichen Protokollierung. Daß die Konzessionsverleihung scheinbar so problemlos vonstatten ging, in einer Zeit, in der einheimische und andere ausländische Firmen nur Ablehnungen erhielten, kann nur auf eine besondere Lobby zurückzuführen sein. Das Ansuchen um Eintragung ins Wiener Handelsregister ist mit 6. Februar 1919 datiert, und am 11. Februar wird die Firma unter Register A, Band 39, pagina 82 eingetragen. Es deutet vieles darauf hin, daß Fischer nicht die Absicht hatte, in Wien mehr als eine „Briefkastenfirma“ zu führen. Wien galt als „Zweigniederlassung“, diente de facto der Ausweichsherstehlung. So waren alle Prokuristen, die ins Wiener Handelsregister eingetragen wurden, Angestellte des Stammhauses in Berlin. Auch scheint Richard Rosenbaum, der übrigens nicht an dem in der Konzession angegebenen Standort wohnte, nicht auf. Man kümmerte sich überhaupt nicht um das „Wiener Unternehmen“ bis April 1922, als Polizei und Gericht den Geisterverlag suchte und die Prokuristen aus dem Handelsregister gelöscht wurden. In Antwort auf die Anregung, die Firma zu löschen, wurde aus Berlin folgendes mitgeteilt:

Die Wiener Niederlassung betreibt ihre Geschäfte lediglich in der Art, daß sie Verhandlungen mit Autoren und Buchdruckereien in Wien führt und für die Expedition der hier fertiggestellten Druckbogen Sorge trägt. Hiezu bedarf es außer einem Vertreter weder eines besonderen Lokales, noch eines eigenen Personales. Wenn nun bisher als Sitz der Zweigniederlassung das Haus in Wien III., Marokkanergasse 11 angegeben war, so beruht dies darauf, daß der seinerzeitige Vertreter der Firma S. Fischer Verlag in diesem Haus gewohnt hat. Derzeit führt die bezeichneten Geschäfte die Firma Friese & Lang in Wien I., Bräunerstraße 3, deren Lokal als Sitz der Zweigniederlassung zu gelten hat. [11]

S. Fischer Verlag

S. Fischer in Wien blieb noch elf Jahre als „Karteileiche“ bestehen. Ahs das Handelsgericht in Wien im Februar 1933 wegen Gewerberücklegung Anstalten machte, die Firma zu löschen, schickte der S. Fischer Verlag in Berlin zu einem sehr bedeutenden Zeitpunkt der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheit ein Schreiben nach Wien, mit der Bitte, nun von der Löschung Abstand zu nehmen. Im Schreiben vom 20. März 1933 heißt es u.a.:

Bei unseren vielen Beziehungen zum österreichischen, insbesondere zum Wiener Buchhandel möchten wir jedoch höflichst ersuchen, von der Löschung dieser Firma abzusehen. Es ist noch nicht ausgeschlossen, daß wir bei sich bietender Gelegenheit, zwecks besserer Ausnutzung unserer Beziehungen zum österreichischen Buchhandel, die Zweigniederlassung in Kraft treten hassen, bzw. am Wiener Platze wieder direkt Geschäfte vornehmen. Wir ersuchen daher hiermit höflichst, von einer Löschung obiger Firma Abstand zu nehmen.

Hochachtungsvoll S. Fischer Verlag A.G. [12]

Diese „Prophezeiung“ sollte sich auch bewahrheiten. Man wollte sich angesichts der politischen Entwicklung ein „Hintertürl“ offen lassen, überlegte es sich dann aber anders. In einem kurzen Schreiben von Dr. Gottfried Bermann und Johann Heinrich Suhrkamp vom 1.7.1933 wird der Antrag gestellt, die Firma zu löschen, was am 19. September auch geschah.

Quellen

  • Wiener Stadt- und Landesarchiv: Handelsgericht Wien, Registerakt C 4, 40
  • Wiener Stadt- und Landesarchiv: Handelsgericht Wien, Ausgleich Sa 3/39

Literatur

  • PETER DE MENDELSSOHN, S. Fischer und sein Verlag. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 1970
  • Reiner Stach: 100 Jahre S. Fischer Verlag 1886-1986 : kleine Verlagsgeschichte. Frankfurt am Main: S. Fischer 1986

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