Max Winter: Unterschied zwischen den Versionen

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Winter Max, * 9. Jänner 1870 Tárnok, Ungarn, † 10. Juli  1937 Hollywood, Vereinigte Staaten Amerikas, Redakteur, sozialdemokratischer Sozial- und Kommunalpolitiker.  
 
Winter Max, * 9. Jänner 1870 Tárnok, Ungarn, † 10. Juli  1937 Hollywood, Vereinigte Staaten Amerikas, Redakteur, sozialdemokratischer Sozial- und Kommunalpolitiker.  
  
1873 kam Max Winters Familie nach Wien. Ab dem 20. Lebensjahr widmete er sich dem Journalismus, ab 1. Jänner 1895 engagierte ihn [[Viktor Adler]] für die Redaktion der Arbeiter-Zeitung. Die soziologischen Studien in der Arbeiter-Zeitung und anderen Blättern der sozialdemokratischen Presse wurden zu Büchern zusammengefasst: Im dunkelsten Wien (1904), Das goldene Wiener Herz (1905), Im unterirdischen Wien (1905). Sein Credo: „Die ungesündeste Luft für den Berichterstatter ist die Redaktionsluft“. Journalisten sollten „auf der Straße, in den Fabriken und Werkstätten, in den öffentlichen Gaststätten, in den Häusern und Wohnungen, auf den Sport- und Spielplätzen, in den Gerichtssälen, in den Polizeistuben, auf den Rettungswachen, in den Spitälern, Waisen- und Armenhäusern, in den Gefängnissen, in den Gemeindestuben Tag und Nacht mitten im Strom dieses Lebens schwimmen“. Winter schrieb Sozialreportagen aus den untersten Gesellschaftsschichten und nahm für die Recherchen oft große Strapazen in Kauf. So ließ er sich beispielsweise, um eine authentische Gerichtsreportage liefern zu können, als Bettler auf der Straße verhaften. In einem anderen Fall lebte er in einem Obdachlosenheim. Zur Ergänzung seines Materials baute er die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen ein.  
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1873 kam Max Winters Familie nach Wien. Ab dem 20. Lebensjahr widmete er sich dem Journalismus, ab 1. Jänner 1895 engagierte ihn [[Viktor Adler]] für die Redaktion der [[Arbeiterzeitung]]. Die soziologischen Studien in der Arbeiter-Zeitung und anderen Blättern der sozialdemokratischen Presse wurden zu Büchern zusammengefasst: Im dunkelsten Wien (1904), Das goldene Wiener Herz (1905), Im unterirdischen Wien (1905). Sein Credo: „Die ungesündeste Luft für den Berichterstatter ist die Redaktionsluft“. Journalisten sollten „auf der Straße, in den Fabriken und Werkstätten, in den öffentlichen Gaststätten, in den Häusern und Wohnungen, auf den Sport- und Spielplätzen, in den Gerichtssälen, in den Polizeistuben, auf den Rettungswachen, in den Spitälern, Waisen- und Armenhäusern, in den Gefängnissen, in den Gemeindestuben Tag und Nacht mitten im Strom dieses Lebens schwimmen“. Winter schrieb Sozialreportagen aus den untersten Gesellschaftsschichten und nahm für die Recherchen oft große Strapazen in Kauf. So ließ er sich beispielsweise, um eine authentische Gerichtsreportage liefern zu können, als Bettler auf der Straße verhaften. In einem anderen Fall lebte er in einem Obdachlosenheim. Zur Ergänzung seines Materials baute er die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen ein.  
  
 
Max Winters journalistische Arbeiten und Aktivitäten während des Ersten Krieges agitierten gegen den Krieg. Allein sein in zwei Bänden erschienenes Werk Der österreichisch-ungarische Krieg in Feldpostbriefen  ist eine in vielerlei Hinsicht herausragende Dokumentation der harten, brutalen Erfahrungswelten des Krieges. Seine Sozialreportagen in der Arbeiter-Zeitung ordnete er Generalthema unter: Was macht der Krieg mit den Menschen? Wie setzt er ihnen zu? Besonders eindrucksvoll war Max Winters mehr als zwanzig Artikel umfassende Serie von Reisereportagen aus dem zerstörten Galizien. Er schrieb immer wieder über die Flüchtlinge in Wien, interessierte ausführlich für die Krankheiten, die den Opfern des Krieges zusetzten: Typhus, Cholera, Tuberkulose. Er besuchte mit anderen sozialdemokratischen Abgeordneten Gefängnisse, Flüchtlingsheime oder Spitäler, um das Massenelend der Tuberkulosekranken und die skandalösen sanitären Bedingungen, das Elend von Frieren und Hungern anzuprangern. Auch im Reichsrat griff er die skandalösen Zustände auf.  
 
Max Winters journalistische Arbeiten und Aktivitäten während des Ersten Krieges agitierten gegen den Krieg. Allein sein in zwei Bänden erschienenes Werk Der österreichisch-ungarische Krieg in Feldpostbriefen  ist eine in vielerlei Hinsicht herausragende Dokumentation der harten, brutalen Erfahrungswelten des Krieges. Seine Sozialreportagen in der Arbeiter-Zeitung ordnete er Generalthema unter: Was macht der Krieg mit den Menschen? Wie setzt er ihnen zu? Besonders eindrucksvoll war Max Winters mehr als zwanzig Artikel umfassende Serie von Reisereportagen aus dem zerstörten Galizien. Er schrieb immer wieder über die Flüchtlinge in Wien, interessierte ausführlich für die Krankheiten, die den Opfern des Krieges zusetzten: Typhus, Cholera, Tuberkulose. Er besuchte mit anderen sozialdemokratischen Abgeordneten Gefängnisse, Flüchtlingsheime oder Spitäler, um das Massenelend der Tuberkulosekranken und die skandalösen sanitären Bedingungen, das Elend von Frieren und Hungern anzuprangern. Auch im Reichsrat griff er die skandalösen Zustände auf.  

Version vom 9. September 2014, 16:27 Uhr

Porträt Max Winter
Daten zur Person
Personenname Winter, Max
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 11173
GND
Wikidata
Geburtsdatum 9. Jänner 1870
Geburtsort Tárnok, Ungarn
Sterbedatum 10. Juli 1937
Sterbeort Hollywood, Vereinigte Staaten Amerikas
Beruf Journalist, sozialdemokratischer Sozial- und Kommunalpolitiker
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 9.09.2014 durch WIEN1.lanm09eic
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle Friedhof Meidling
Bildname Max-winter.jpg
Bildunterschrift Porträt Max Winter

Es wurden noch keine Adressen zu dieser Person erfasst!

Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Bürger der Stadt Wien (Verleihung: 14. März 1930)

  • Abgeordneter zum Reichsrat (1911 bis 1918)
  • Vizebürgermeister von Wien (1919)
  • Mitglied des Bundesrates (1925 bis 1933)
  • Abgeordneter zum Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeinderates (1918 bis 1923)

Winter Max, * 9. Jänner 1870 Tárnok, Ungarn, † 10. Juli 1937 Hollywood, Vereinigte Staaten Amerikas, Redakteur, sozialdemokratischer Sozial- und Kommunalpolitiker.

1873 kam Max Winters Familie nach Wien. Ab dem 20. Lebensjahr widmete er sich dem Journalismus, ab 1. Jänner 1895 engagierte ihn Viktor Adler für die Redaktion der Arbeiterzeitung. Die soziologischen Studien in der Arbeiter-Zeitung und anderen Blättern der sozialdemokratischen Presse wurden zu Büchern zusammengefasst: Im dunkelsten Wien (1904), Das goldene Wiener Herz (1905), Im unterirdischen Wien (1905). Sein Credo: „Die ungesündeste Luft für den Berichterstatter ist die Redaktionsluft“. Journalisten sollten „auf der Straße, in den Fabriken und Werkstätten, in den öffentlichen Gaststätten, in den Häusern und Wohnungen, auf den Sport- und Spielplätzen, in den Gerichtssälen, in den Polizeistuben, auf den Rettungswachen, in den Spitälern, Waisen- und Armenhäusern, in den Gefängnissen, in den Gemeindestuben Tag und Nacht mitten im Strom dieses Lebens schwimmen“. Winter schrieb Sozialreportagen aus den untersten Gesellschaftsschichten und nahm für die Recherchen oft große Strapazen in Kauf. So ließ er sich beispielsweise, um eine authentische Gerichtsreportage liefern zu können, als Bettler auf der Straße verhaften. In einem anderen Fall lebte er in einem Obdachlosenheim. Zur Ergänzung seines Materials baute er die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen ein.

Max Winters journalistische Arbeiten und Aktivitäten während des Ersten Krieges agitierten gegen den Krieg. Allein sein in zwei Bänden erschienenes Werk Der österreichisch-ungarische Krieg in Feldpostbriefen ist eine in vielerlei Hinsicht herausragende Dokumentation der harten, brutalen Erfahrungswelten des Krieges. Seine Sozialreportagen in der Arbeiter-Zeitung ordnete er Generalthema unter: Was macht der Krieg mit den Menschen? Wie setzt er ihnen zu? Besonders eindrucksvoll war Max Winters mehr als zwanzig Artikel umfassende Serie von Reisereportagen aus dem zerstörten Galizien. Er schrieb immer wieder über die Flüchtlinge in Wien, interessierte ausführlich für die Krankheiten, die den Opfern des Krieges zusetzten: Typhus, Cholera, Tuberkulose. Er besuchte mit anderen sozialdemokratischen Abgeordneten Gefängnisse, Flüchtlingsheime oder Spitäler, um das Massenelend der Tuberkulosekranken und die skandalösen sanitären Bedingungen, das Elend von Frieren und Hungern anzuprangern. Auch im Reichsrat griff er die skandalösen Zustände auf.

1911 bis 1918 war er Reichsratsabgeordneter, 1919 bis 1923 wurde er Vizebürgermeister von Wien, 1925 bis 1933 saß er im Bundesrat. Er baute die 1908 in Graz gegründete „Kinderfreunde“-Bewegung als deren Obmann aus. 1925 wurde Präsident der Sozialistischen Erziehungs-Internationale. 1930 wurde ihm der Titel „Bürger der Stadt Wien“ verliehen. Sein größtes berufliches Engagement galt allerdings dem Journalismus. Von 1914 bis 1918 betätigte er sich als Chefredakteur der Arbeiter-Zeitung am Abend. Die ursprünglich nur für den Wahlkampf 1923 gestaltete Frauenzeitschrift Die Unzufriedene war so erfolgreich, dass er sie als überaus erfolgreiches Periodikum (1930 lag die Auflage bei 130.000 Exemplaren) weitergeführt wurde. Nach den Februarkämpfen 1934 und dem Verbot der SDAP gelang es Winter, Wien zu verlassen. Über Zürich, Paris und London gelangte er schließlich in die USA. Weil er in einer Veranstaltung der New Yorker Carnegie-Hall Dollfuß als „Arbeitermörder“ bezeichnete, wurde er am 17. Dezember 1934 wegen „österreichfeindlichen Verhaltens im Ausland“ ausgebürgert. Winter gelang es in den USA nicht mehr, sich als Journalist zu etablieren. Er starb völlig verarmt in einem Krankenhaus. Bei der Beisetzung seiner Urne am Matzleinsdorfer Friedhof im September 1937 versammelten sich Tausende Menschen. Ein riesiges Polizeiaufgebot beobachtete diese versteckte politische Manifestation.

Winters journalistisches und literarisches Werk weist eine beeindruckende Vielfalt auf. Max Winter ist in den 1980er Jahren wieder entdeckt worden und gilt heute als Pionier der investigativen Sozialreportage.


Max-Winter-Platz, Winterdenkmal.


Literatur

  • Hans Schroth: Max Winter. Beiträge in der „Arbeiter-Zeitung“. Teil I: 1896-1912, in: Archiv, Mitteilungsblatt des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung 1/1983, S.45-48. Teil II: 1913-1922, in. Archiv 2/1983; S.68-71. Teil III: 1923-1933, in Archiv 2/1983, S.89-92.
  • Max Winter: Das schwarze Wienerherz. Sozialreportagen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Hrsg. von Helmut Strutzmann. Wien 1982.
  • Arbeitswelt um 1900. Texte zur Alltagsgeschichte von Max Winter. Hrsg. von Stefan Riesenfellner. Wien 1988.
  • Max Winter: Expeditionen ins dunkelste Wien. Meisterwerke der Sozialreportage. Hrsg. von Hannes Haas. Wien 2006.
  • Max Winter: „Die Steigeisen der Kopflaus“. Wiener Sozialreportagen aus den Anfängen des investigativen Journalismus, Wien 2012.
  • Alfred Pfoser: „Was hat Ihnen der Krieg gebracht?“ Die Sozialreportagen des Max Winter im Ersten Weltkrieg, in: Die helle und die dunkle Seite der Moderne. Festschrift für Siegfried Mattl. Hrsg. von Werner Michael Schwarz und Ingo Zechner. Wien 2014, S. 30-37.
  • Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963
  • Werner Röder / Herbert A. Strauss: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International biographical dictionary of Central European émigrés 1933-1945. Hg. vom Institut für Zeitgeschichte München und von der Research Foundation for Jewish Immigration. München [u.a.]: Saur 1980-1999
  • Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte. Hg. von Franz Planer. Wien: F. Planer 1929
  • Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [ u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
  • Norbert Leser [Hg.]: Werk und Widerhall. Große Gestalten des österreichischen Sozialismus. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1964, S. 447 ff.
  • Stefan Riesenfellner: Der Sozialreporter. Max Winter im alten Österreich. Hg. vom Verein Krit. Sozialwiss. u. Polit. Bildung. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1987
  • Wolfgang R. Langenbucher / Fritz Hausjell / Andreas Ulrich [Hg.]: Vertriebene Wahrheit. Journalismus aus dem Exil. Wien: Ueberreuter 1995, S. 414 f.
  • Kurt Stimmer [Hg.]: Die Arbeiter von Wien. Ein sozialdemokratischer Stadtführer. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1988, S. 68 f., Reg.
  • Hanns Jäger-Sunstenau: Die Ehrenbürger und Bürger ehrenhalber der Stadt Wien. Wien: Deuticke 1992 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 23), S. 84
  • Neue Arbeiter-Zeitung, 09.07.1987
  • Wiener Zeitung, 14.07.1937,
  • Wiener Zeitung, 10.07.1987