Heimito von Doderer: Unterschied zwischen den Versionen

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Heimito Doderer (Pseudonym Heimito von Doderer), * 5. September 1896 Weidlingau bei Wien ([[Doderer-Gedenkstein]]), † 23. Dezember 1966 Schriftsteller
 
Heimito Doderer (Pseudonym Heimito von Doderer), * 5. September 1896 Weidlingau bei Wien ([[Doderer-Gedenkstein]]), † 23. Dezember 1966 Schriftsteller
  
Sein Vater [[Wilhelm von Doderer]] war eine prägnante Unternehmerpersönlichkeit in der Monarchie. Franz Carl Heimito von Doderer wurde als fünftes und jüngstes Kind im einsam gelegenen Laudon'schen Forsthaus in Weidlingau geboren. Sein Vater hatte das Haus wegen der Nähe zu seiner Baustelle, dem Staubecken des Wienflusses, angemietet. Nur wenige Tage nach der Geburt zog die Familie wieder in großbürgerliche Stadthaus in der Stammgasse 12 zurück, wo Heimito von Doderer seine Kindheit und Jugend im Schatten seines übermächtigen und erfolgreichen Vaters in Wien verbrachte. Die Sommerferien verbrachte die Familie in Prein an der Rax, wo sie zuerst eine Villa anmietete, später ein eigenes Haus, den "Riegelhof", erbauen ließ. Heimito besuchte die Volksschule und das Gymnasium in der Kundmanngasse, wo er am 4. Juli 1914, eine Woche nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, die Matura ablegte. Im Herbst 1914 immatrikulierte er an der juridische Fakultät, Mitte 1915 rückte er als "Einjährig-Freiwilliger" in die Breitenseer Kaserne mit eigenem Pferd und schmucker Uniform zur Dragonerausbildung ein. Mitte Januar 1916 wurde er an die galizische Front geschickt, allerdings ohne Pferd, weil der Generalstab bereits gelernt hatte, dass Kavallerieoffensiven im Maschinenkrieg selbstmörderisch endeten. Im Verlauf der Brussilow-Offensive geriet er am 12. Juli 1916 in russische Kriegsgefangenschaft. Die ersten beiden Jahre verbrachte er in Lagern im Fernen Osten. Im Frühjahr 1918, nach dem Frieden von Brest-Litwosk, schien die Rückkehr in die Heimat gewiß, doch der wochenlange Eisenbahntransport geriet in die Revolutionswirren und Kämpfe zwischen Roten und Weißen Garden. Weitere zwei Jahre in sibirischer Kriegsgefangenenschaft in Krasnojardsk waren die Folge. Im Frühjahr 1920 flüchtete er eine kleine Gruppe zuerst auf langen Fußmärschen, dann ab dem Ural per Eisenbahn in Richtung Heimat. Am 14. August 1920 erreichte er Wien. Im Herbstsemester schrieb er sich an der Philosophische Fakultät ein, verschrieb sich ab 1921 intensiv dem Studium der Geschichtswissenschaft (Oswald Redlich und Heinrich von Srbik waren seine wichtigsten Mentoren), das er 1925 mit einer Doktorarbeit über "Zur bürgerlichen Geschichtsschreibung in Wien während des 15. Jahrhunderts"  abschloss. Bereits während des Studiums 1923 wandte er sich der schriftstellerischen Arbeit zu, veröffentlichte erste Bücher: 1923 den Gedichtband "Gassen und Landschaft" und 1924 die Erzählung "Die Bresche", schrieb aus Erwerbsgründen regelmäßig journalistische Arbeiten, die in der Mehrheit in der Tageszeitung "Der Tag" (ab 1930 "Der Wiener Tag") erschienen. 1930 veröffentlichte er seinen ersten Roman „Das Geheimnis des Reiches", der allerdings keinen Erfolg brachte. Offensichtlich beeindruckt vom politischen Erfolg der Nationalsozialisten im Deutschen reich, trat er am 1. April 1933 der NSDAP bei; dem Parteieintritt vorausgegangen war die Bekanntschaft mit dem Schriftleiter der "Deutsch-Österreichischen Tageszeitung" (DÖTZ) Gerhard Aichinger. Doderer publizierte keine politischen Artikel, aber nutzt die "DÖTZ" als Plattform für den Abdruck seiner literarischen Arbeiten. 1936 beantragte er seine Aufnahme in die Reichsschriftumskammerkonnte nun seine Arbeitentrat n den 1930er Jahren dem Nationalsozialismus zugeneigt, erfolgte 1940 seine Konversion zum Katholizismus. Im Haus 8, Buchfeldgasse 6 bewohnte er gemeinsam mit [[Albert Paris Gütersloh]] die ehemalige Atelierwohnung der 1938 ins Exil gegangenen Malerin Trude Wähner (polizeiliche Meldungen 1938-1947: IV/13).
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Sein Vater [[Wilhelm von Doderer]] war eine prägnante Unternehmerpersönlichkeit in der Monarchie. Franz Carl Heimito von Doderer wurde als fünftes und jüngstes Kind im einsam gelegenen Laudon'schen Forsthaus in Weidlingau geboren. Sein Vater hatte das Haus wegen der Nähe zu seiner Baustelle, dem Staubecken des Wienflusses, angemietet. Nur wenige Tage nach der Geburt zog die Familie wieder in großbürgerliche Stadthaus in der Stammgasse 12 zurück, wo Heimito von Doderer seine Kindheit und Jugend im Schatten seines übermächtigen und erfolgreichen Vaters in Wien verbrachte. Die Sommerferien verbrachte die Familie in Prein an der Rax, wo sie zuerst eine Villa anmietete, später ein eigenes Haus, den "Riegelhof", erbauen ließ. Heimito besuchte die Volksschule und das Gymnasium in der Kundmanngasse, wo er am 4. Juli 1914, eine Woche nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, die Matura ablegte. Im Herbst 1914 immatrikulierte er an der juridische Fakultät, Mitte 1915 rückte er als "Einjährig-Freiwilliger" in die Breitenseer Kaserne mit eigenem Pferd und schmucker Uniform zur Dragonerausbildung ein. Mitte Januar 1916 wurde er an die galizische Front geschickt, allerdings ohne Pferd, weil der Generalstab bereits gelernt hatte, dass Kavallerieoffensiven im Maschinenkrieg selbstmörderisch endeten. Im Verlauf der Brussilow-Offensive geriet er am 12. Juli 1916 in russische Kriegsgefangenschaft. Die ersten beiden Jahre verbrachte er in Lagern im Fernen Osten. Im Frühjahr 1918, nach dem Frieden von Brest-Litwosk, schien die Rückkehr in die Heimat gewiß, doch der wochenlange Eisenbahntransport geriet in die Revolutionswirren und Kämpfe zwischen Roten und Weißen Garden. Weitere zwei Jahre in sibirischer Kriegsgefangenenschaft in Krasnojardsk waren die Folge. Im Frühjahr 1920 flüchtete er eine kleine Gruppe zuerst auf langen Fußmärschen, dann ab dem Ural per Eisenbahn in Richtung Heimat. Am 14. August 1920 erreichte er Wien. Im Herbstsemester schrieb er sich an der Philosophische Fakultät ein, verschrieb sich ab 1921 intensiv dem Studium der Geschichtswissenschaft (Oswald Redlich und Heinrich von Srbik waren seine wichtigsten Mentoren), das er 1925 mit einer Doktorarbeit über "Zur bürgerlichen Geschichtsschreibung in Wien während des 15. Jahrhunderts"  abschloss. Bereits während des Studiums 1923 wandte er sich der schriftstellerischen Arbeit zu, veröffentlichte erste Bücher: 1923 den Gedichtband "Gassen und Landschaft" und 1924 die Erzählung "Die Bresche", schrieb aus Erwerbsgründen regelmäßig journalistische Arbeiten, die in der Mehrheit in der Tageszeitung "Der Tag" (ab 1930 "Der Wiener Tag") erschienen. 1930 veröffentlichte er seinen ersten Roman „Das Geheimnis des Reiches", der allerdings keinen Erfolg brachte. Am 28. Mai 1930 heiratete er seine langjährige Partnerin, die katholisch getaufte, aus jüdischer familie stammende Zahnarzttochter Gusti Hasterlik; wenige Monate später war allerdings Schluss mit der vielfach turbulenten, an Intensität nicht mangelnden Beziehung. Offensichtlich beeindruckt vom politischen Erfolg der Nationalsozialisten im Deutschen reich, trat er am 1. April 1933 der NSDAP bei; dem Parteieintritt vorausgegangen war die Bekanntschaft mit dem Schriftleiter der "Deutsch-Österreichischen Tageszeitung" (DÖTZ) Gerhard Aichinger. Doderer publizierte keine politischen Artikel, aber nutzt die "DÖTZ" als Plattform für den Abdruck seiner literarischen Arbeiten. 1936 beantragte er seine Aufnahme in die Reichsschriftumskammer. Sein großer Roman, zuerst unter dem Titel "Dicke Damen" geplant, in der späteren Fassung von 1956 als "Die Dämonen" publiziert, sollte als  "Die Dämonen der Ostmark", als "Theatrum iudaicum" erscheinen. In der Erwartung eines größeren Erfolgs im Deutschen Reich übersiedelte er im August 1936 nach Dachau, fühlte sich aber schnell unverstanden, isoliert und als Österreicher wenig geachtet. Sein Respekt vor dem NS-Staat blieb allerdings. Protestantisch getauft, erfolgte 1940 seine Konversion zum Katholizismus.  
 
 
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg (an dem Doderer 1939-1945 als Luftwaffen-Hauptmann teilnahm) war Doderer ab 1946 als Verlagslektor, freier Schriftsteller und Gelehrter tätig. 1947-1950 absolvierte er das Institut für österreichische Geschichtsforschung an der Universität Wien. Erst damals entstanden seine bedeutendsten Werke, vor allem der Roman „Die Strudlhofstiege" (1951), mit dem Doderer ein später dichterischer Durchbruch gelang. Ihm schloß sich der themenverwandte, auch international anerkannte Roman „Die Dämonen" an (1956). Umstritten waren hingegen „Die Merowinger oder Die totale Familie" (1962), in dem sich eine Tendenz zur Absurdität und zur grotesken Überzeichnung bemerkbar machte. Der auf drei Teile konzipierte „Roman No. 7", der an die beiden großen Wiener Romane anknüpfen sollte, blieb unvollendet (erster Teil der Trilogie: Die Wasserfalle von Slunj, 1963). Doderer schildert in seinen breit angelegten Romanen in kunstvoller Sprache und mit überragender Erzähltechnik das Wien und seine Gesellschaft vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Sprachlich dem Österreichertum verpflichtet, ist er als einer der repräsentativsten Vertreter der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts anzusehen. Für das Verständnis seiner Werke sind auch seine Tagebücher bedeutsam („Tangenten", 1964). Doderers Erzählungen sind durch satirisch-ironische Fabulierkunst, makabren Humor und die Neigung zur Groteske gekennzeichnet.  
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg (an dem Doderer 1939-1945 als Luftwaffen-Hauptmann teilnahm) war Doderer ab 1946 als Verlagslektor, freier Schriftsteller und Gelehrter tätig. 1947-1950 absolvierte er das Institut für österreichische Geschichtsforschung an der Universität Wien. Erst damals entstanden seine bedeutendsten Werke, vor allem der Roman „Die Strudlhofstiege" (1951), mit dem Doderer ein später dichterischer Durchbruch gelang. Ihm schloß sich der themenverwandte, auch international anerkannte Roman „Die Dämonen" an (1956). Umstritten waren hingegen „Die Merowinger oder Die totale Familie" (1962), in dem sich eine Tendenz zur Absurdität und zur grotesken Überzeichnung bemerkbar machte. Der auf drei Teile konzipierte „Roman No. 7", der an die beiden großen Wiener Romane anknüpfen sollte, blieb unvollendet (erster Teil der Trilogie: Die Wasserfalle von Slunj, 1963). Doderer schildert in seinen breit angelegten Romanen in kunstvoller Sprache und mit überragender Erzähltechnik das Wien und seine Gesellschaft vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Sprachlich dem Österreichertum verpflichtet, ist er als einer der repräsentativsten Vertreter der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts anzusehen. Für das Verständnis seiner Werke sind auch seine Tagebücher bedeutsam („Tangenten", 1964). Doderers Erzählungen sind durch satirisch-ironische Fabulierkunst, makabren Humor und die Neigung zur Groteske gekennzeichnet.  
  
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19 Wien 19, Billrothstraße 78 (Rudolfinerhaus; Grinzinger Friedhof, Grab 20/5/8, in Obhut der Stadt Wien [Bürgermeister-Entschließung 30. Dezember 1966]; zuletzt wohnhaft 9, Währinger Straße 50 [Gedenktafel, enthüllt 20. Juni 1967]),
 
19 Wien 19, Billrothstraße 78 (Rudolfinerhaus; Grinzinger Friedhof, Grab 20/5/8, in Obhut der Stadt Wien [Bürgermeister-Entschließung 30. Dezember 1966]; zuletzt wohnhaft 9, Währinger Straße 50 [Gedenktafel, enthüllt 20. Juni 1967]),
Dichter,erste Gattin (1929) Auguste Leopoldine Hasterlik (* 24. Juli 1896), zweite Gattin Maria Emma († 1984), Urgroßneffe von [[Nikolaus Lenau]].  
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Dichter,erste Gattin (1929) Auguste Leopoldine Hasterlik (* 24. Juli 1896), zweite Gattin Maria Emma († 1984), Urgroßneffe von [[Nikolaus Lenau]]. Im Haus 8, Buchfeldgasse 6 bewohnte er gemeinsam mit [[Albert Paris Gütersloh]] die ehemalige Atelierwohnung der 1938 ins Exil gegangenen Malerin Trude Wähner (polizeiliche Meldungen 1938-1947: IV/13).  
 
   
 
   
  

Version vom 10. August 2015, 14:21 Uhr

Heimito Doderer (1961)
Daten zur Person
Personenname Doderer, Heimito
Abweichende Namensform Doderer, Heimito von; Doderer, Franz Carl Heimito von
Titel Dr. phil.
Geschlecht männlich
PageID 5804
GND 118526162
Wikidata
Geburtsdatum 5. September 1896
Geburtsort Weidlingau bei Wien
Sterbedatum 23. Dezember 1966
Sterbeort Wien
Beruf Schriftsteller, Dichter
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Österreichische Nationalbibliothek
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 10.08.2015 durch WIEN1.lanm09pfo
Begräbnisdatum 2. Jänner 1967
Friedhof Friedhof Grinzing
Grabstelle Grab 20/5/8
Bildname Heimitododerer.jpg
Bildunterschrift Heimito Doderer (1961)
  • 9., Währinger Straße 50 (Letzte Wohnadresse)
  • 19., Billrothstraße 78 (Sterbeadresse)
  • 3., Stammgasse 12 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur (Verleihung: 1957)
  • Preis der Stadt Wien für Literatur (Verleihung: 1961)
  • Ehrenring der Stadt Wien (Übernahme: 25. Oktober 1966)

Heimito Doderer (Pseudonym Heimito von Doderer), * 5. September 1896 Weidlingau bei Wien (Doderer-Gedenkstein), † 23. Dezember 1966 Schriftsteller

Sein Vater Wilhelm von Doderer war eine prägnante Unternehmerpersönlichkeit in der Monarchie. Franz Carl Heimito von Doderer wurde als fünftes und jüngstes Kind im einsam gelegenen Laudon'schen Forsthaus in Weidlingau geboren. Sein Vater hatte das Haus wegen der Nähe zu seiner Baustelle, dem Staubecken des Wienflusses, angemietet. Nur wenige Tage nach der Geburt zog die Familie wieder in großbürgerliche Stadthaus in der Stammgasse 12 zurück, wo Heimito von Doderer seine Kindheit und Jugend im Schatten seines übermächtigen und erfolgreichen Vaters in Wien verbrachte. Die Sommerferien verbrachte die Familie in Prein an der Rax, wo sie zuerst eine Villa anmietete, später ein eigenes Haus, den "Riegelhof", erbauen ließ. Heimito besuchte die Volksschule und das Gymnasium in der Kundmanngasse, wo er am 4. Juli 1914, eine Woche nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, die Matura ablegte. Im Herbst 1914 immatrikulierte er an der juridische Fakultät, Mitte 1915 rückte er als "Einjährig-Freiwilliger" in die Breitenseer Kaserne mit eigenem Pferd und schmucker Uniform zur Dragonerausbildung ein. Mitte Januar 1916 wurde er an die galizische Front geschickt, allerdings ohne Pferd, weil der Generalstab bereits gelernt hatte, dass Kavallerieoffensiven im Maschinenkrieg selbstmörderisch endeten. Im Verlauf der Brussilow-Offensive geriet er am 12. Juli 1916 in russische Kriegsgefangenschaft. Die ersten beiden Jahre verbrachte er in Lagern im Fernen Osten. Im Frühjahr 1918, nach dem Frieden von Brest-Litwosk, schien die Rückkehr in die Heimat gewiß, doch der wochenlange Eisenbahntransport geriet in die Revolutionswirren und Kämpfe zwischen Roten und Weißen Garden. Weitere zwei Jahre in sibirischer Kriegsgefangenenschaft in Krasnojardsk waren die Folge. Im Frühjahr 1920 flüchtete er eine kleine Gruppe zuerst auf langen Fußmärschen, dann ab dem Ural per Eisenbahn in Richtung Heimat. Am 14. August 1920 erreichte er Wien. Im Herbstsemester schrieb er sich an der Philosophische Fakultät ein, verschrieb sich ab 1921 intensiv dem Studium der Geschichtswissenschaft (Oswald Redlich und Heinrich von Srbik waren seine wichtigsten Mentoren), das er 1925 mit einer Doktorarbeit über "Zur bürgerlichen Geschichtsschreibung in Wien während des 15. Jahrhunderts" abschloss. Bereits während des Studiums 1923 wandte er sich der schriftstellerischen Arbeit zu, veröffentlichte erste Bücher: 1923 den Gedichtband "Gassen und Landschaft" und 1924 die Erzählung "Die Bresche", schrieb aus Erwerbsgründen regelmäßig journalistische Arbeiten, die in der Mehrheit in der Tageszeitung "Der Tag" (ab 1930 "Der Wiener Tag") erschienen. 1930 veröffentlichte er seinen ersten Roman „Das Geheimnis des Reiches", der allerdings keinen Erfolg brachte. Am 28. Mai 1930 heiratete er seine langjährige Partnerin, die katholisch getaufte, aus jüdischer familie stammende Zahnarzttochter Gusti Hasterlik; wenige Monate später war allerdings Schluss mit der vielfach turbulenten, an Intensität nicht mangelnden Beziehung. Offensichtlich beeindruckt vom politischen Erfolg der Nationalsozialisten im Deutschen reich, trat er am 1. April 1933 der NSDAP bei; dem Parteieintritt vorausgegangen war die Bekanntschaft mit dem Schriftleiter der "Deutsch-Österreichischen Tageszeitung" (DÖTZ) Gerhard Aichinger. Doderer publizierte keine politischen Artikel, aber nutzt die "DÖTZ" als Plattform für den Abdruck seiner literarischen Arbeiten. 1936 beantragte er seine Aufnahme in die Reichsschriftumskammer. Sein großer Roman, zuerst unter dem Titel "Dicke Damen" geplant, in der späteren Fassung von 1956 als "Die Dämonen" publiziert, sollte als "Die Dämonen der Ostmark", als "Theatrum iudaicum" erscheinen. In der Erwartung eines größeren Erfolgs im Deutschen Reich übersiedelte er im August 1936 nach Dachau, fühlte sich aber schnell unverstanden, isoliert und als Österreicher wenig geachtet. Sein Respekt vor dem NS-Staat blieb allerdings. Protestantisch getauft, erfolgte 1940 seine Konversion zum Katholizismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg (an dem Doderer 1939-1945 als Luftwaffen-Hauptmann teilnahm) war Doderer ab 1946 als Verlagslektor, freier Schriftsteller und Gelehrter tätig. 1947-1950 absolvierte er das Institut für österreichische Geschichtsforschung an der Universität Wien. Erst damals entstanden seine bedeutendsten Werke, vor allem der Roman „Die Strudlhofstiege" (1951), mit dem Doderer ein später dichterischer Durchbruch gelang. Ihm schloß sich der themenverwandte, auch international anerkannte Roman „Die Dämonen" an (1956). Umstritten waren hingegen „Die Merowinger oder Die totale Familie" (1962), in dem sich eine Tendenz zur Absurdität und zur grotesken Überzeichnung bemerkbar machte. Der auf drei Teile konzipierte „Roman No. 7", der an die beiden großen Wiener Romane anknüpfen sollte, blieb unvollendet (erster Teil der Trilogie: Die Wasserfalle von Slunj, 1963). Doderer schildert in seinen breit angelegten Romanen in kunstvoller Sprache und mit überragender Erzähltechnik das Wien und seine Gesellschaft vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Sprachlich dem Österreichertum verpflichtet, ist er als einer der repräsentativsten Vertreter der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts anzusehen. Für das Verständnis seiner Werke sind auch seine Tagebücher bedeutsam („Tangenten", 1964). Doderers Erzählungen sind durch satirisch-ironische Fabulierkunst, makabren Humor und die Neigung zur Groteske gekennzeichnet.

Die Leistungen Doderers wurden mehrfach gewürdigt (1954 Deutscher Literaturpreis, 1957 Großer Österreichischer Staatspreis für Dichtkunst, 1961 Preis der Stadt Wien für Literatur, 1966 Raabe-Preis [Braunschweig] und Ehrenring der Stadt Wien). Im Gasthaus „Zur Stadt Paris" (8, Josefstädter Straße 4, Lenaugasse 1) wurde ein Doderer-Stüberl (Gedenktafel Lenaugasse 1), im Bezirksmuseum Alsergrund eine Doderer-Gedenkstätte eingerichtet. Nachlaß überwiegend in der Österreichische Nationalbibliothek.

Laut Abschlussbericht der im Auftrag der Universität Wien und der Stadt Wien eingesetzten Forschungsgruppe zur Untersuchung und Kontextualisierung der Benennung der Wiener Straßennamen seit 1860 war Heimito von Doderer ab 1933 Mitglied der NSDAP und der NS-Volkswohlfahrt. Ebenso veröffentliche er 1933 Artikel in der Deutschösterreichischen Tageszeitung „DÖTZ“ bis zu deren Verbot im selben Jahr. 1936 beantragte Doderer die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer. Wenngleich er sich in der Folgezeit zunehmend vom Nationalsozialismus zu distanzieren begann, erfolgte laut neuerer Forschung damit nicht zwangsläufig auch eine Abkehr von seiner antisemitischen Haltung. Doderer blieb auch weiterhin Mitglied der NSDAP, trat jedoch 1940 wieder in die katholische Kirche ein. Nach Kriegsende wurde er als „Minderbelasteter“ registriert, 1948 schließlich amnestiert.

19 Wien 19, Billrothstraße 78 (Rudolfinerhaus; Grinzinger Friedhof, Grab 20/5/8, in Obhut der Stadt Wien [Bürgermeister-Entschließung 30. Dezember 1966]; zuletzt wohnhaft 9, Währinger Straße 50 [Gedenktafel, enthüllt 20. Juni 1967]), Dichter,erste Gattin (1929) Auguste Leopoldine Hasterlik (* 24. Juli 1896), zweite Gattin Maria Emma († 1984), Urgroßneffe von Nikolaus Lenau. Im Haus 8, Buchfeldgasse 6 bewohnte er gemeinsam mit Albert Paris Gütersloh die ehemalige Atelierwohnung der 1938 ins Exil gegangenen Malerin Trude Wähner (polizeiliche Meldungen 1938-1947: IV/13).


Doderergasse; Heimito-von-Doderer-Hof

Literatur

  • Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [ u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
  • Gerhard Renner: Die Nachlässe in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek. Ein Verzeichnis. Wien: Stadt Wien, Magistratsabt. 9, Wiener Stadt- und Landesbibliothek 1993
  • Neue Österreichische Biographie ab 1815. Große Österreicher. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1956 - lfd. Band 18,1972
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992
  • Walter Pollak [Hg.]: Tausend Jahre Österreich. Eine biographische Chronik. Band 3. Wien / München: Jugend & Volk 1995, S. 466 ff.
  • Karl Wache: Dichterbildnisse aus Alt- und Neu-Wien. Wien: Bergland-Verlag 1969 (Österreich-Reihe, 363/364), S. 103 ff.
  • Hannes Rieser: Doderer und Gütersloh. Metaphorik und "totaler" Roman. Diss. Univ. Salzburg. Salzburg 1968
  • Lutz-Werner Wolff: Wiedereroberte Außenwelt. Studien zur Erzählweise Heimito von Doderers am Beispiel des Romanes No. 7. Göppingen: Kümmerle 1969 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik, 13)
  • Dietrich Weber: Heimito von Doderer. Studien zu seinem Romanwerk. München: Beck 1963
  • Dietrich Weber: Heimito von Doderer. München [u.a.]: Beck 1987, S. 129 ff.)
  • Elisabeth Lebensaft / Hubert Reinerer: Die Eskapade in die Wissenschaft. Materialien zum Geschichtsstudium Heimito von Doderers. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Wien/München: Oldenbourg / Wien/Graz/Köln: Böhlau / Innsbruck: Wagner 1880 - lfd. Band 1,1880, S. 407 ff.
  • Alexander Novotny: Persönliches über Heimito von Dodererin. In: Alois Eder [Hg.]: Marginalien zur poetischen Welt. Festschrift für Robert Mühlher zum 60. Geburtstag. Berlin: Duncker & Humblot 1971, S. 481 ff.
  • Heimito von Doderer / Albert Paris Gütersloh: Briefwechsel 1928-1962. Hg. von Reinhold Treml. München: Biederstein 1986
  • Jose Antonio Palma-Caetano: Humor und Groteske im Werk Heimito von Doderers. Diss. Univ. Wien. Wien 1980
  • Adalbert Schmidt: Dichtung und Dichter Österreichs im 19. und 20. Jahrhundert. Band 1. Salzburg: Bergland-Buch 1964, S. 394 ff.
  • Milan Dubrovic: Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafés. Wien [u.a.]: Zsolnay 1985, Register
  • Literatur und Kritik 8 (1973), S. 615 ff.
  • Literatur und Kritik 21 (1986), S. 462 ff.
  • Helmut Kretscher: Landstraße. Geschichte des 3. Wiener Gemeindebezirks und seiner alten Orte. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1982 (Wiener Heimatkunde, 3), S. 171
  • Das Landstraßer Heimatmuseum. Wien: Verein zur Erhaltung und Förderung des Landstraßer Heimatmuseums 1964 - lfd. (ab 1971 u.d.T.: "Mitteilungen des Bezirksmuseums Landstraße") Band 12,1975, S. 10
  • Felix Czeike: III. Landstraße. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1984 (Wiener Bezirkskulturführer, 3), S. 22
  • Felix Czeike: VIII. Josefstadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1980 (Wiener Bezirkskulturführer, 8), S. 15, 32
  • Das Josefstädter Heimatmuseum. Band 3. Wien: Neuer Wiener Pressedienst 1959-1969, S. 237 f.
  • Felix Czeike: IX. Alsergrund. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1979 (Wiener Bezirkskulturführer, 9), S. 46, 56, 58
  • Felix Czeike: XIV. Penzing. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1980 (Wiener Bezirkskulturführer, 14), S. 6, 50
  • Karl Hopf: Heimito von Doderers Beziehungen zu Hadersdorf-Weidlingau und Hütteldorf. In: Penzinger Museumsblätter. Wien: Museumsverein Penzing 1962 - lfd. Band 39/1975, S. 281 ff.
  • Engelbert Pfeiffer: Heimito von Doderers Jahre in Döbling. In: Döblinger Museumsblätter. Wien: Museumsverein Döbling 1971 - lfd. Heft 84/85,1986, S. 1 ff.
  • Engelbert Pfeiffer: Heimito von Doderer-Gedenkstätte im Bezirksmuseum Alsergrund. In: Das Heimatmuseum Alsergrund. Mitteilungsblatt des Museumsvereines Alsergrund. Wien: Museumsverein Alsergrund 1960 - lfd. Heft 114,1988
  • Das Heimatmuseum Alsergrund. Mitteilungsblatt des Museumsvereines Alsergrund. Wien: Museumsverein Alsergrund 1960 - lfd. Heft 98,1984
  • Hans Pemmer / Ninni Lackner: Die Währinger Straße. Ein Spaziergang von der Votivkirche zur Volksoper. Wien: Verein zur Erhaltung und Förderung des Heimatmuseums Alsergrund 1968 (Beiträge zur Heimatkunde des IX. Wiener Gemeindebezirks, 3), S. 39
  • Helmut Kretschmer: XIX. Döbling. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1982 (Wiener Bezirkskulturführer, 19), S. 52
  • Günther Hamann: Heimito von Doderer †. Erinnerungen eines Studienfreundes [Nachruf]. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Wien/München: Oldenbourg / Wien/Graz/Köln: Böhlau / Innsbruck: Wagner 1880 - lfd. Band Band 75,1967, S. 489
  • Laurenz Strebl: Der Doderer-Nachlaß in der Österreichischen Nationalbibliothek. In: Biblos 21 (1972), S. 17 f.
  • Heimito von Doderer. 1896-1966. Ausstellung in der Österreichischen Nationalbibliothek, 3. November bis 17. Dezember 1976. Veranst. vom Heimito von Doderer-Institut Wien. Wien: Heimito-von-Doderer-Inst. 1976
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.11.1986, L 4 (Tagebücher)
  • Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst, 03.09.1971
  • Karl F. Stock / Rudolf Heilinger / Marylène Stock: Personalbibliographien österreichischer Dichter und Schriftsteller von den Anfängen bis zur Gegenwart. Pullach bei München: Verlag Dokumentation 1972
  • Franz Hubmann: Auf den Spuren von Heimito von Doderer. Eine photographisch-literarische Reise rund um die "Strudlhofstiege" in Wien. Wien: Brandstätter 1996
  • Engelbert Pfeiffer: Bogenschütze Heimito von Doderer. Der Romancier - ein Tao-Schüler. In: Parnass 5 (1985), S. 72-76
  • Peter Autengruber: Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 69
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 176–179
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Forschungsprojektendbericht "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'". Wien 2013