Daten zum Eintrag
Datum von
Datum bis
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 14.05.2014 durch WIEN1.lanm09mer

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst!


Film. In Wien wurden ab 1896 die ersten öffentlichen Filmvorführungen getätigt; in der Folge entstanden Vorführstätten (Lichtspieltheater, Kino); die ersten Kinovorführungen fanden am 27. März 1896 im Haus 1, Kärntner Straße 45 (Krugerstraße 2), statt, die am 17. April 1896 auch von Franz Joseph I. besucht wurden. In die Mitte des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts fallen die ersten Filmproduktionen in Österreich. Der Fotograf Anton Kolm machte ab 1906/1907 Aufnahmen, die zunächst nicht für das Kino bestimmt waren; seine Gattin Luise war die Tochter jenes Louis Veltée, der im „Stadt-Panoptikum" (1, Kohlmarkt 10) Kurzfilme vorführte; das Ehepaar Kolm, der Fotografengehilfe Jakob Julius Fleck und der Schauspieler Heinz Hanus (der die Kolms und Fleck im damaligen Theatertreffpunkt, dem Café Dobner, kennengelernt hatte) waren es, die 1908 den ersten österreichischen Spielfilm herstellten („Von Stufe zu Stufe"; Regie Hanus). 1907 erhielt der Gymnasialprofessor Dr. Alto Arche erstmals eine Subvention zur Herstellung von Unterrichtsfilmen, 1908 erschien die erste Film-Zeitschrift („Der Komet"), 1909 schlossen sich Filmhersteller und Filmverleiher zum „Bund der Film-Industriellen Österreichs" zusammen. 1910 gründete Kolm die „Erste österreichische Kunstfilm-Industrie" (die im selben Jahr in „Österreichisch-ungarische Kunstfilm-Industrie GmbH." umbenannt wurde), die Kolms mit Fleck die „Wiener Kunstfilm-Industrie GmbH.", die bis 1918 eine der beiden wesentlichen Filmproduktionsfirmen war und 1919 in die Vita-Film umgewandelt wurde (1910 entstanden „Der Faschingszug in Ober-St.-Veit" und „Der Trauerzug Seiner Exzellenz des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger", 1910/1911 neben Filmberichterstattungen über aktuelle Ereignisse auch Kurzfassungen von Werken Grillparzers, Ganghofers und Anzengrubers sowie 1912 „Typen und Szenen aus dem Wiener Volksleben" mit Luise Montag und Edmund Guschelbauer sowie Stummfilmgrotesken mit dem Komiker Carl Blasel). 1912 gründete Felix Dörmann gemeinsam mit dem Architekten Tropp (der vorher bei der „Wiener Kunstfilm" gearbeitet hatte) die "Vindobona-Film". Im selben Jahr (18.- 24. Oktober) fand auf dem Gelände der k. u. k. Gartenbau-Gesellschaft die „Internationale Kino-Ausstellung Wien 1912" statt; die (spätere) „Sascha"- und die „Vindobona-Film" erhielten für ihre Filme Preise. Anläßlich des Eucharistischen Kongresses ließ Max Reinhardt in der Rotunde die Pantomime „Das Mirakel" für den Film inszenieren (Kostüme von Heinrich Lefler, Musik Engelbert Humperdinck). Eine weitere Filmgesellschaft war die von Alexander („Sascha") Graf Kolowrat gegründete und nach ihm benannte „Sascha-Filmgesellschaft"; Kolowrat, der bereits 1910 nach dem Tod seines Vaters mit der Filmproduktion begonnen hatte, 1912 mit seinem Laboratorium nach 20, Pappenheimgasse 2 (Treustraße 76?) übersiedelt war und am 19. Jänner 1912 seinen ersten Film („Die Gewinnung des Erzes am steirischen Erzberg in Eisenerz") in die Wiener Kinos gebracht hatte, drehte (nachdem er ein Areal in der Engerthstraße als Freilichtatelier gemietet hatte) neben anderen Filmen 1912 den ersten historischen Spielfilm („Kaiser Joseph II.") und 1913 den ersten Film mit Alexander Girardi, der sich infolge des Niedergangs der Theater für die Gestaltungsmöglichkeiten des neuen Mediums Film begeisterte („Millionenonkel", Drehbuch und Regie Hubert und Ernst Marischka, Musik Robert Stolz, Dauer über eine Stunde, Drehort teilweise das Dachatelier 1, Biberstraße, Premiere 10. September 1913); er stellte darin über 30 Rollen seiner Laufbahn dar; es war der erste künstlerische und finanzielle Erfolg Kolowrats. Andere Burgtheaterschauspieler folgten (Medelski, Hugo Thimig, Zeska). Kolowrat machte Wien zur Film-Metropole Mitteleuropas. 1913 eröffnete Helene Odilon eine Schauspielschule mit dem Spezialfach Kinodarstellung; 1915 gab L. M. Zwingenburg im Atelier der „Burg-Film" (8, Zeltgasse 1-3), gegen Ende des Ersten Weltkriegs Ferdinand Bertram Unterricht. 1914 wurde die Firma als „Sascha Filmfabrik" ins Handelsregister eingetragen; im selben Jahr wurden auf den Gründen des Café Mirabell in Sievering (19) die „Sascha"-Filmateliers errichtet (Inbetriebnahme 1915). 1908-1914 wurden in Österreich mehr als 210 Dokumentarfilme und über 120 Kurz- und Langspielfilme hergestellt; die Mitwirkung Girardis im Film und die Inszenierungen Reinhardts für den Film entspannten den anfangs ungleichen Kampf zwischen Theater und Kino. Der Erste Weltkrieg, der die österreichischen Produzenten von der ausländischen Konkurrenz befreite, brachte einen langsameren Aufschwung als erwartet, wohl aber den Beginn der Kriegsberichterstattung („Kriegs-Journal" der „Wiener Kunstfilm" beziehungsweise „Österreichischer Kino-Wochenbericht..." [beziehungsweise ab 1915 „Kinematographische Kriegsberichterstattung", schließlich „Sascha-Kriegswochenbericht"] der „Sascha-Film") sowie (ab 1915) die Produktion von patriotischen Filmen beider Gesellschaften. Am 10. September 1918 ließ Kolowrat die „Sascha Filmindustrie AG, Wien" ins Handelsregister eintragen. Die ersten Filmstars waren Liane Haid und Magda Sonja. 1921/1922 erreichte die Filmindustrie in Wien einen Höhepunkt; neben den führenden Filmfabriken „Sascha", „Astoria", „Dreamland", „Listo", „Schönbrunn" und später „Vita-Film" produzierten cirka 20 Erzeuger in Wien pro Jahr 70-75 Normal- und Großfilme, dazu 50-60 Lustspiele sowie Lehr-, Kultur- und Propagandafilme; 1923 wurde der „Filmbund" gegründet. Bereits unmittelbar nach Kriegsende war Kolowrat nach Amerika gereist, wo er die Monumentalfilme mit ihren ungeheuren Dekorationsbauten und Komparsenmassen kennenlernte; er plante, in Wien derartige Filme zu drehen und mit ihnen den amerikanischen Markt zu erobern. Dies gelang ihm mit „Sodom und Gomorrha" (1922; Regie Michael Kertesz [der später über Deutschland nach Hollywood auswanderte und als Michael Curtiz berühmt wurde], Chefkameramann Gustav Ucicky; unter den Statisten finden sich Willi Forst, Hans Thimig und Paula Wessely) und „Die Sklavenkönigin" (1924; Regie Michael Kertesz); beide Filme wurden auf dem Laaer Berg gedreht (die Hauptattraktion in „Sodom und Gomorrha" war der von Julius von Borsody errichtete monumentale Tempel, jene in der „Sklavenkönigin" der Durchzug der Juden durch das Rote Meer). Die seinerzeit von Fleck gegründete „Wiener Kunstfilm-Industrie-Gesellschaft" (nach Übernahme durch die Depositenbank 1919 Umwandlung in die „Vita-Film AG", später „Wien-Film") begann mit der Planung des Ateliers am Rosenhügel (13, Mauer), das an der Stelle des dortigen Meierhofs entstand und 1923 als modernste Anlage Österreichs in Betrieb genommen wurde (Halle 24 Meter breit, 90 Meter lang, 70 Meter hoch); im selben Jahr begann hier Lilian Harvey ihre Karriere. Der erste nachweisliche am Rosenhügel gedrehte Film war „Hotel Potemkin (Die letzte Stunde)" (Uraufführung 21. März 1924), der erste Tonfilm war „Csibi, der Fratz" (Uraufführung 2. Februar 1934; Mitwirkende Hermann Thimig und Theo Lingen). Die „Vita" suchte im Gegensatz zur „Sascha" keine Kontakte in den USA, sondern in Frankreich (indem sie französische Regisseure und Schauspieler engagierte und sich durch Koproduktionen den französischen Markt zu sichern suchte). Für beide Gesellschaften („Vita" und „Sascha") arbeitete Alexander Korda, ein Landsmann von Kertesz und späterer Begründer der britischen Tonfilmindustrie († 1956); für die „Vita-Film" inszenierte er den Monumentalfilm „Samson und Delila" (1922, Drehort Rosenhügelgelände). 1923 lieferte Arthur Schnitzler seine erste Arbeit für die „Sascha"-Film ab („Der junge Medardus"), 1924 verfaßte Hugo von Hofmannsthal zwei Filmmanuskripte (darunter 1925 „Rosenkavalier" für die „Pan-Film", gedreht im Schönbrunner Filmatelier, Uraufführung 10. Jänner 1926 Staatsoper Dresden). Um diese Zeit (1925/1926) geriet der österreichische Film in eine seinen Bestand gefährdende Krise, die Filmgesellschaften mußten neue Wege suchen (Kolowrat fand sie im Film „Pratermizzi" mit seiner Entdeckung Anny Ondra); im Prater beziehungsweise in dessen Milieu wurden auch die Filme „Pat und Patachon" und „Zwei Vagabunden im Prater" gedreht. Ab 1922 stand auch Hans Moser vor der Kamera, 1930 entstand sein erster abendfüllender Tonfilm („Geld auf der Straße"). In den späteren 20er Jahren setzte sich die Neue Sachlichkeit beim Film durch, Dramaturgie und Spielstil änderten sich; am Ende dieser Entwicklung wurde 1929 der „Vagabund" von Fritz Weiß gedreht, der als Experiment angesehen werden kann (Produktion der Firma „Neuer Film"). 1927 starb Kolowrat; kurz vor seinem Tod entdeckte er Willi Forst für den Film, der erstmals in „Café Electric" (Uraufführung 25. November 1927, Regie Gustav Ucicky), einem typischen Beispiel für den realistischen Film jener Zeit, spielte (mit Marlene Dietrich). Als Filmdarsteller wurde Forst vom Dreiergespann Geza von Bolvary (Regie), Walter Reisch (Buch) und Robert Stolz (Musik) als Zugpferd benützt und dem deutschsprachigen Publikum als „typischer Wiener" verkauft (er spielte den leichtlebigen Frauenfreund); mit Forsts erster Regiearbeit („Leise flehen meine Lieder", 1933) begann die Blütezeit des österreichischen Tonfilms. Aus den 30er Jahren stammen auch verschiedene Aufnahmen von Großereignissen, die zeitgeschichtliche Dokumente geworden sind (beispielsweise Internationale Zweite Arbeiter-Olympiade 1931, Allgemeiner Deutscher Katholikentag 1933, Aufmarschverbot am 1. Mai 1933). 1926-1938 wurden die österreichischen Filmproduzenten geschützt, indem man eine Bewilligungspflicht für den Filmimport einführte. Nun entstanden auch Verleihgesellschaften (Mittler zwischen Hersteller und Filmtheater); von den 70 Gesellschaften (1928) befand sich ein Großteil im siebten Bezirk (hauptsächlich in der Neubau- und Siebensterngasse), sodaß man geradezu vom „Filmbezirk Neubau" sprach. Es entstanden hier auch das „Filmhaus" (Restaurant Schöner, 7, Siebensterngasse 19) und viele Amateurklubs. Vor Fertigstellung des Ateliers ließ man im „Listo-Film-Atelier" (6, Gumpendorfer Straße 132) arbeiten; dort entstanden „Die weiße Frau" (mit Liane Haid und Max Neufeld) und „Faustrecht". Um den Filmen größeres Format zu geben, ging man dazu über, Dekorationen auf freiem Gelände zu bauen; den Anfang machte die „Sascha-Film", ihr folgte Otto Kreisler mit „Don Ramiro" nach Heinrich Heine. Auf dem Rosenhügel entstand die Filmstadt „Toledo". Der erste Film der VITA-Film war „Hotel Potemkin"; es folgten unter anderem „Samson und Delila", „Hoffmanns Erzählungen", „Der Antichrist" und „Verbotene Stadt". Immer neue Ateliers entstanden (Astoria, Dreamland, Kunstfilm und andere); namhafte Schauspielerinnen und Schauspieler, aber auch Sänger begannen sich für den Film zu interessieren (Nora Gregor, Pepi Kramer-Glöckner, Hansi Niese, Anny Rosar, Adele Sandrock, Lizzi Waldmüller; Max Devrient, Gustav Dießl, Fritz Imhoff, Oskar Karlweis, Hans Moser, Paul Richter, Georg Reimers, Leo Slezak, Otto Treßler, Hugo Thimig; Richard Tauber). 1928 stieg die öffentliche Hand mit der (1926 gegründeten gemeindeeigenen) Kiba ins Filmverleihgeschäft ein. Am Ende der 20er Jahre begann der Siegeszug des Tonfilms (erster abendfüllender Tonfilm 1929 [Premiere von „Der Jazzsänger" am 21. Jänner 1929 im Central-Kino, 2, Taborstraße 8a]), ab 1932 war der Stummfilm praktisch tot. Die Sascha-Film AG stellte ihre Produktion ebenfalls auf Tonfilme um, mußte sich dazu aber 1930 mit der Tobis-Film zur Tobis-Sascha fusionieren; der erste österreichische Tonfilm entstand unter der Leitung von Frank Fox 1930 im Atelier Sievering („Geld auf der Straße", für den Fox auch die Musik komponierte). Im Sommer 1929 wurden vom ersten österreichischen Lichttonsystem „Selenophon", das ab Mitte der 20er Jahre von der Wiener Selen-Studiengesellschaft erarbeitet worden war, Proben vorgestellt (Produktion einer internationalen Wochenschau 1931-1933). Die Filmkompetenzen waren bis 1933 Landessache, 1933-1938 war das Handelsministerium zuständig (Amt für Wirtschaftspropaganda). Kurzfilme mußten obligatorisch vorgeführt werden. In Wien gab es in den 30er Jahren 13 Filmproduzenten, die (1937) 27 Filme herstellten. Nach der Okkupation Österreichs (1938) wurde in Wien eine Außenstelle der Reichsfilmkammer installiert (7, Siebensterngasse 19). Die Tobis-Sascha-Film wurde Hauptproduzent großdeutscher Filme. Nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten die Besatzungsmächte Film-Sektionen. 1950 wurden Allgemeine Filmbezugsbedingungen vereinbart, die das Verhältnis zwischen Filmverleiher und Kinos regelten. Das „Filmhaus" des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst wurde 7, Spittelberggasse 6, eingerichtet. Die Gesetzgebung in Angelegenheiten der Film-Produktion, des Film-Verleihs und -Vertriebs wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Bundessache (seit 1950 konzessionspflichtiges Gewerbe), das Kinowesen ist hingegen Landessache. 1948 wurde in Wien der weltbekannt gewordene Film „Der dritte Mann" gedreht. Nach 1945 schufen Hubert Marischka und Franz Antel die kommerziell erfolgreichsten Filme der deutschsprachigen Produktion („Mädchenjahre einer Königin", „Deutschmeister", „Sissi"- Filme). - Filmstadt am Laaer Berg mit Filmteich („Sodom und Gomorrha" und so weiter); Filmateliers am Rosenhügel (nach dem Ersten Weltkrieg) und in Schönbrunn (Maxinggasse).

Das Filmarchiv Austria (dessen zentrale Sammlung sich in Laxenburg befindet) eröffnete 1997 sein Audiovisuelles Zentrum im Augarten (2).

Siehe auch Österreichisches Filmarchiv, Kino, Wien-Film.

Literatur

  • Walter Fritz: Kino in Österreich. Der Stummfilm 1896-1930. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1981
  • Walter Fritz: Kino in Österreich. 1929–1945. Der Tonfilm. Wien: Österr. Bundesverlag 1991*Walter Fritz: Kino in Österreich. 1945-1983. Film zwischen Kommerz und Avantgarde. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984*Geschichte des Films in Österreich. Ausstellung veranstaltet von der Sektion Film und Fernsehfilm in der Gewerkschaft Kunst und freie Berufe und der VI. Viennale in der Volkshalle des Wiener Rathauses. Wien: Isda & Brodmann 1966
  • Otto Dürer: Zur Geschichte des österreichischen Films. In: Ebenda, S. 201 f.
  • Max Neufeld: VITA-Film-Atelier am Rosenhügel. In: Ebenda, S. 63 ff.
  • Filme 1907-1965 in Auswahl. In: Ebenda, S. 68 ff.
  • Paul Sekora: Ein Filmpionier: Graf Alexander (Sascha) Kolowrat. In: Wiener Geschichtsblätter 13 (1958), S. 21 f.
  • Karl Hartl: Die Situation im Wiener Film. 1938. In: Wien 1938. [Hg. und für den Inhalt verantwortlich Felix Czeike.] Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1978 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 2), S. 273 ff.
  • Ferdinand Opll: Liesing. Geschichte des 23. Wiener Gemeindebezirkes und seiner alten Orte. Wien: Jugend & Volk 1982 (Wiener Heimatkunde, 23), S. 114
  • Die Presse, 09.10.1997, S. 25