Ferdinand Hanusch

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Ferdinand Hanusch
Daten zur Person
Personenname Hanusch, Ferdinand
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 4004
GND 118701460
Wikidata
Geburtsdatum 9. November 1866
Geburtsort Oberdorf bei Wigstadtl (Horní Ves nad Vítkov, Tschechische Republik)
Sterbedatum 28. September 1923
Sterbeort Wien
Beruf Seidenweber, Schriftsteller, Politiker
Parteizugehörigkeit Sozialdemokratische Arbeiterpartei
Ereignis
Nachlass/Vorlass Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
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Letzte Änderung am 20.09.2017 durch DYN.krabina
Begräbnisdatum 14. Jänner 1924
Friedhof Feuerhalle Simmering, Urnenhain
Grabstelle Umfassungsmauer rechts, Nr. 45
Ehrengrab ja„ja“ befindet sich nicht in der Liste (historisches Grab, ehrenhalber gewidmetes Grab, Ehrengrab) zulässiger Werte für das Attribut „Ehrengrab“.
Bildname Ferdinandhanusch.jpg
Bildunterschrift Ferdinand Hanusch
  • 19., Peter-Jordan-Straße 82 (Sterbeadresse)
  • 15., Rosinagasse 3 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Abgeordneter zum Reichsrat (1907 bis 1918)
  • Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung (21.10.1918 bis 16.02.1919)
  • Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung (04.03.1919 bis 09.11.1920)
  • Abgeordneter zum Nationalrat (10.11.1920 bis 28.09.1923)
  • Vizekanzler (07.07.1920 bis 22.10.1920)
  • Staatssekretär für soziale Fürsorge (bzw. Verwaltung) (30.10.1918 bis 22.10.1920)
  • Direktor der Wiener Arbeiterkammer (1921)

  • 2. Gattin JulieDie Verwendung von „2. Gattin“ als Attributkette ist während des Hinzufügens von Annotationen nicht möglich.
  • 1. Gattin Anna, geb. DomesDie Verwendung von „1. Gattin“ als Attributkette ist während des Hinzufügens von Annotationen nicht möglich.

Ferdinand Hanusch, * 9. November 1866 Oberdorf bei Wigstadtl, Österreichisch-Schlesien (Horní Ves nad Vítkov, Tschechische Republik), † 28. September 1923 Wien. Seidenweber, Schriftsteller, Politiker.

Herkunft und Familie

Ferdinand Hanusch wurde am 9. November 1866 als viertes Kind des Webers Josef Hanusch und seiner Frau Karoline, geb. Laser, in dem kleinen schlesischen Ort Oberdorf geboren. Sein Vater war einige Tage vor seiner Geburt an Tuberkulose verstorben; die von der Mutter betriebene Hausweberei reichte nicht aus, um die Familie zu ernähren. Schon als Sechsjähriger arbeitete Ferdinand Hanusch neben der Schule am Spulrad; nach fünf Klassen Volksschule versuchte er als Taglöhner im Baugewerbe und später als Fabrikarbeiter zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Die tristen sozialen Verhältnisse seiner Kindheit und Jugend spiegeln sich in seinem schriftstellerischen Werk.

1891 heiratete Ferdinand Hanusch Anna Domes; der Ehe entstammte eine Tochter, die schon 1896 verstarb. Mit seiner zweiten Frau Julie, die er nach dem Tod von Anna 1895 ehelichte, hatte er eine Tochter Julie und zwei Söhne Ferdinand und Otto.

Reisen und Politik

Zwischen 1884 und 1887 führte ihn die Wanderschaft als Webergeselle nach Wien, Triest und Berlin, nach Ungarn, Rumänien und in die Türkei. Nach Wigstadtl zurückgekehrt, wurde Hanusch in der Arbeiterbewegung aktiv: 1891 trat er dem Arbeiterverein "Eintracht" bei; 1897 wurde er Partei- und Gewerkschaftssekretär im ostmährischen Sternberg. Nachdem auf seine Anregung hin eine gesamtösterreichische Union der Textilarbeiter – mit Sitz in Wien - gegründet worden war, wählten ihn die Delegierten 1900 zu ihrem Sekretär. Auf seinen zahlreichen Reisen konnte Hanusch eine die ganze cisleithanische Monarchie umfassende Organisations- und Propagandatätigkeit entfalten, wobei er sich vor allem für eine Reduzierung der Arbeitszeit und eine Verbesserung der Arbeitsverträge einsetzte. 1903 erhielt er den Vorsitz in der Gewerkschaftskommission, dem Leitungsorgan der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung. In dieser Funktion nahm er an internationalen Kongressen der Textilarbeiter teil und engagierte sich immer stärker in der Sozialpolitik.

Im Reichsrat, in den er 1907 als sozialdemokratischer Abgeordneter eines deutsch-böhmischen Wahlbezirks entsandt wurde, setzte er sich für den Achtstundentag ein. 1916 erreichte er eine gesetzliche Arbeitslosenunterstützung für Textilarbeiter, 1918 die sechsstündige Arbeitszeit an Samstagen. Am 21. Oktober 1918 wurde Hanusch als deutschböhmischer Abgeordneter automatisch Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich, am 4. März 1919 wurde er in einem österreichischen Wahlkreis in die Konstituierende Nationalversammlung gewählt (sein deutschböhmischer Wahlkreis durfte nicht mitwählen, weil dies die Tschechoslowakei verhinderte). Am 10. November 1920 wurde er in den Nationalrat gewählt, dem er bis zu seinem Tod angehörte.

1918 bis 1920 war er in den Staatsregierungen Renner I bis III und Mayr I Staatssekretär für soziale Fürsorge bzw. soziale Verwaltung und damit der erste republikanische Sozialminister. In dieser kurzen Zeit schuf Ferdinand Hanusch die Grundlagen des modernen österreichischen Sozialstaates. Schon 1918 konnte die seit Jahrzehnten erhobene Forderung der Arbeiterbewegung nach Einführung des Achtstundentages und der 48-Stunden-Woche verwirklicht werden. Das Sozialministerium wurde durch die Einbeziehung der Kriegsopferfürsorge und des Volksgesundheitsamts (Julius Tandler) zu einem der bedeutendsten der gesamten Verwaltung. Für die sozialpolitische Entwicklung in Österreich waren die beiden Jahre seiner Amtstätigkeit von epochaler Bedeutung (Vorbereitung der Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsversicherung der Arbeiter sowie des Angestelltengesetzes, Neugestaltung des Krankenkassenwesens). Ihm zu verdanken sind auch die Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit für Frauen und Jugendliche, das Verbot der Arbeit für Kinder unter 12 Jahren, der Urlaubsanspruch für Arbeiter, der durch Kollektivvertrag garantierte Mindestlohn, das Arbeiterkammergesetz und das Betriebsrätegesetz (weltweit das erste, mit dem die Arbeitnehmer ein Mitspracherecht in betrieblichen Angelegenheiten erhielten).

Ab 1921 war Ferdinand Hanusch als Direktor der von ihm begründeten Wiener Arbeiterkammer tätig, wo er Gelegenheit hatte, die auf seine Initiative zurückgehenden neuen Gesetze in der Praxis anzuwenden. Er nahm sich auch der Arbeiterbildung an und gründete die Sozialwissenschaftliche Studienbibliothek der Wiener Arbeiterkammer.

Ferdinand Hanusch war Mitglied der Freimaurer (seit 1908). In der Loge "Lessing zu den drei Ringen" war er deputierter Logenmeister; dann wurde er zum Großbeamten der Wiener Großloge gewählt, wo er das Amt des Stellvertretenden Ersten Großaufsehers ausübte.

Ehrungen

1924, ein Jahr nach seinem Tod, wurde die Hanuschgasse im 1. Bezirk nach ihm benannt.

1928, zum 10. Jahrestag der Gründung der Republik, wurde Ferdinand Hanusch als einer von drei sozialdemokratischen Politikern auf dem Denkmal der Republik verewigt. Das 1934 von den Austrofaschisten entfernte Denkmal wurde am 12. November 1948 feierlich wiederenthüllt. Der Kopf Hanuschs ist eine Nachbildung der zerstörten Originalbüste Carl Wolleks von Mario Petrucci.

Werke

(Auswahl)

Erzählungen

  • Weber-Seff. Erzählung. Wien: Wiener Volksbuchhandlung Ignaz Brand 1905
  • Auf der Walze. Wien: Selbstverlag 1907
  • Die Namenlosen. Geschichten aus dem Leben der Arbeiter und Armen. Wien: Wiener Volksbuchhandlung Ignaz Brand 1910 (1911)
  • Lazarus. Eine Jugendgeschichte. Wien: Wiener Volksbuchhandlung Ignaz Brand 1912
  • Der kleine Peter. Wien: Wiener Volksbuchhandlung Ignaz Brand 1913
  • Leibeigene. Reichenberg: Verlag "Textilarbeiter" o. J. [1913?]
  • Aus der Heimat. Geschichten in schlesischer Mundart. Mährisch-Schönberg: Josef Emmer 1916
  • In der Heimat. Geschichten in schlesischer Mundart. Mährisch-Schönberg: Josef Emmer 1918
  • Waldpeter. Ein Lebensschicksal. In schlesischer Mundart. Mährisch-Schönberg: Josef Emmer 1922
  • Aus meinen Wanderjahren. Erinnerungen eines Walzbruders. Reichenberg: Selbstverlag "Textilarbeiter" o. J.
  • Lazarus. Liebe und Ehe. Wien: Wiener Volksbuchhandlung Ignaz Brand o. J.

Politische Schriften

  • Parlament und Arbeiterschutz. Referat, erstattet dem Siebenten österreichischen Gewerkschaftskongreß vom Abgeordneten Ferdinand Hanusch. Wien: Wiener Volksbuchhandlung Ignaz Brand 1913
  • Ein Geleitwort. In: Ludwig Brügel: Soziale Gesetzgebung in Österreich von 1848 bis 1918. Eine geschichtliche Darstellung. Wien / Leipzig: Franz Deuticke 1919, VII-VIII
  • Sozialpolitik in Österreich 1919 bis 1923. Referat des Abgeordneten Ferdinand Hanusch auf dem Zweiten österreichischen Gewerkschaftskongreß. Wien: Verlag “Arbeit und Wirtschaft“ 1923

Teil-Nachlass

Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung (VGA), Karton 1, Mappen 1-6. Inhalt: literarische Manuskripte.

Literatur

(Auswahl)

  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992, S. 161
  • Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1964, S. 139
  • Walter Göhring / Brigitte Pellar: Ferdinand Hanusch. Aufbruch zum Sozialstaat. Wien: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes 2003
  • Jacques Hannak: Ferdinand Hanusch. In: Jacques Hannak: Männer und Taten. Zur Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung. Wien: Wiener Volksbuchhandlung 1963, S. 49-52
  • Georges Haupt: Hanusch Ferdinand. In: Jean Maitron / Georges Haupt [Hg.]: Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier international. Band 1: Autriche. Paris: Éditions Ouvrières 1971, S. 125-127
  • Viktor Kleiner: Ferdinand Hanusch. In: Walter Pollak [Hg.]: Tausend Jahre Österreich. Eine biographische Chronik. Band 3: der Parlamentarismus und die beiden Republiken. Wien / München: Jugend und Volk 1974, S. 236-241
  • Christine Klusacek / Kurt Stimmer: Erdberg. Dorf in der Stadt. Wien: Mohl 1992, S. 146-147
  • Alfred Magaziner: Ferdinand Hanusch – Vom Webstuhl auf den Ministersessel. In: Alfred Magaziner: Die Wegbereiter. Aus der Geschichte der Arbeiterbewegung. Wien: Volksbuchverlag 1975, S. 84-97
  • Österreichische Gewerkschaftskommission: Ferdinand Hanusch. Der Mann und sein Werk. Wien: Verlag Arbeit und Wirtschaft 1924
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815 – 1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Band 2. Graz / Köln: Böhlau 1959, S. 184-185
  • Edmund Palla: Ferdinand Hanusch. In: Neue österreichische Biographie 1815 – 1918. Band 4. Wien: Amalthea-Verlag 1927, S. 43-57
  • Helmut Reinalter: Hanusch, Ferdinand. In: Helmut Reinalter [Hg.]. Freimaurerische Persönlichkeiten in Europa. Innsbruck / Wien [u.a.]: Studienverlag 2014 (Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei, 16), S. 69-70
  • Helga Reißer: Ferdinand Hanusch, sein Leben und literarisches Werk. Diss. Univ. Wien. Wien 1950
  • Hans Schroth: Bibliographie zur Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung. Ferdinand Hanusch [Werkverzeichnis]. In: Archiv. Mitteilungsblatt des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung, Jg. 6, Heft 1, 1966, S. 16-18
  • Otto Staininger [Hg.]: Ferdinand Hanusch (1866-1923). Ein Leben für den sozialen Aufstieg. Wien: Europaverlag 1973 (Schriftenreihe des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung, 3)
  • Kurt Stimmer [Hg.]: Die Arbeiter von Wien. Ein sozialdemokratischer Stadtführer. Wien / München: Jugend & Volk 1988, S. 98-99
  • Helga Sumpolec: Ferdinand Hanusch und sein sozialpolitisches Werk. Diss. Univ. Wien. Wien 1964
  • Maria Szecsi: Ferdinand Hanusch. In: Norbert Leser [Hg.]: Werk und Widerhall. Große Gestalten des österreichischen Sozialismus. Wien: Wiener Volksbuchhandlung 1964, S. 178-185
  • Fritz Walden: Ich gab euch Zeit! Kleine Lebensgeschichte des großen Sozialreformers Ferdinand Hanusch. Wien: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes 1948 (Jugendschriftenreihe, 4)
  • Josef Weidenholzer: Der sorgende Staat. Zur Entwicklung der Sozialpolitik von Joseph II. bis Ferdinand Hanusch. Wien / München / Zürich: Europaverlag 1985

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