Erich Fried

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Daten zur Person
Personenname Fried, Erich
Abweichende Namensform
Titel Dr. h. c.
Geschlecht männlich
PageID 26828
GND 118703145
Wikidata
Geburtsdatum 6. Mai 1921
Geburtsort Wien
Sterbedatum 22. November 1988
Sterbeort Baden-Baden
Beruf Schriftsteller, Lyriker, Übersetzer
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Österreichisches Literaturarchiv
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 10.08.2018 durch WIEN1.lanm08gat
Begräbnisdatum 9. Dezember 1988
Friedhof Friedhof Kensal Green, London
Grabstelle
  • 9., Alserbachstraße 11 (Wohnadresse)
  • 6., Linke Wienzeile 4 (Wohnadresse)
  • 3., Am Heumarkt 9 (Wohnadresse)
  • 9., Pelikangasse 18 (Geburtsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Georg Büchner-Preis (Übernahme: 18. Oktober 1987)
  • Internationaler Verlegerpreis der Sieben (Übernahme: 1977)
  • Preis der Stadt Wien für Literatur (Übernahme: 17. Juni 1980)
  • Österreichischer Würdigungspreis für Literatur (Verleihung: 1972, Übernahme: 22. März 1972)
  • Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (Verleihung: 22. Oktober 1985, Übernahme: 8. November 1985)
  • Österreichischer Staatspreis für Verdienste um die österreichische Kultur im Ausland (Übernahme: 29. April 1986)
  • Bremer Literaturpreis (Verleihung: 1983)
  • Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Osnabrück (Verleihung: 1988)

Erich Fried, * 6. Mai 1921 Wien 9, Pelikangasse 18 (Canning-Kinderhospital; die Eltern Frieds wohnten 9, Alserbachstraße 11 im vierten Stock [Wohnadresse von Frieds Großmutter mütterlicherseits]), † 22. November 1988 Baden-Baden, Schriftsteller, Lyriker, Übersetzer.

Biographie

Erich Fried, der seine musische Begabung bereits fünfjährig als Mitglied einer Kinderschauspieltruppe unter Beweis stellte, besuchte später das Wasa-Gymnasium. Nach dem “Anschluss“ Österreichs im Jahr 1938 wurde Frieds Vater verhaftet. Er starb am 24. Mai, dem Tag seiner Entlassung, an den Folgen der Gestapo-Haft. Der Sohn hingegen konnte Anfang August über Belgien nach London fliehen. Dort lebte er teils von Gelegenheitsarbeiten, teils erwarb er seinen Lebensunterhalt als Bürogehilfe beim “Jewish Refugee Committee“ als Bibliothekar, als Milchchemiker und als Fabrikarbeiter. Er begründete zudem eine Selbsthilfegruppe namens “Emigrantenjugend“, der es gelang, eine größere Anzahl Verfolgter zur Flucht nach Großbritannien zu verhelfen, dazu zählte auch seine Mutter Nelly. Nicht retten konnte er hingegen die geliebte Großmutter, die im März 1943 in Auschwitz ermordet wurde. Fried gehörte seit 1940 dem “Austrian Centre“ und dem “Freien Deutschen Kulturbund“ an. Den “Kommunistischen Jugendverband Österreichs“ verließ er im Herbst 1943 wegen dessen Stalinisierung. Am 15. Januar 1944 heiratete er Maria Marburg (Scheidung 1952), am 31. Mai wurde sein Sohn Hans geboren.

Frühe Gedichte Frieds finden sich in Anthologien sowie in diversen Exilzeitschriften. Seine ersten deutschsprachigen Gedichtbände “Deutschland“ (1944) sowie “Österreich“ (1945) erschienen in Londoner Exilverlagen. Äußerst bemerkenswert ist, dass Fried im Jahr 1947 eine Gruppe deutschsprachiger Lyriker um sich sammelte – die sogenannte Londoner Gruppe 47 –, zu der außer Fried der Auschwitzüberlebende H. G. Adler, Hans Werner Cohn, Hans Eichner, Georg Rapp, Franz Baermann Steiner und Tuviah Rübner gehörten. Fried war die Integrationsfigur der Gruppe, die sich um Kontakte zu deutschen Verlegern wie Eugen Claassen kümmerte, Leseabende organisierte und sich nicht zu schade war, die Verse der Kollegen auf seiner Underwood-Schreibmaschine abzutippen, um wenigstens diese Typoskripte in Umlauf zu bringen. Der literarische Durchbruch blieb den einzelnen Gruppenmitgliedern jedoch zunächst versagt.

Seit 1950 war Erich Fried ständiger Mitarbeiter beim “German Service“ der BBC. Ab 1952 erhielt er als politischer Kommentator eine feste Anstellung und gestaltete seine Sendungen im Sinne eines “freien Sozialismus“. Erst 1968 gab Fried die Tätigkeit für den BBC aus politi-schen Gründen auf.

Im Jahr 1952 heiratete Fried Nen Spence-Eichner (Scheidung 1965). Aus dieser Ehe stammen der Sohn David (*1958) und die Tochter Katherine (*1961). In den 1950er Jahren trat Fried als Übersetzer aus dem Englischen hervor, vor allem seine Übertragungen von Dylan Thomas feierten große Erfolge im deutschsprachigen Rundfunk. Erst 1958 betrat Fried die literarische Bühne mit eigenen Werken, seine “Gedichte“ erschienen im Hamburger Claassen-Verlag. Zwei Jahre später erschien im selben Haus sein viel gelesener, umstrittener Roman “Ein Soldat und ein Mädchen“, an dem er schon seit Ende 1945, als er den sogenannten “Bergen-Belsen-Prozeß“ in Lüneburg intensiv verfolgte, gearbeitet hatte.

Diese Präsenz am deutschsprachigen Buchmarkt führte nicht nur zur ersten Wiederbegegnung mit Wien, als Fried im April 1962 von Wolfgang Kraus in die Österreichische Gesellschaft für Literatur eingeladen wurde, sondern, ungleich wichtiger, auch die “Gruppe 47“ wurde auf Fried und sein literarisches Werk aufmerksam. Zum ersten Mal nahm er im Okto¬ber 1963 an einer Tagung der Gruppe in Saulgau bei Ulm teil. Er blieb bis zur vorläufig letzten Zusammenkunft im oberfränkischen Waischenfeld 1967 ein wichtiger Teilnehmer. In Erinnerung wird besonders sein Plädoyer für Peter Weiss bleiben, als dieser auf der Princetoner Tagung 1966 vehement von Günter Grass wegen der angeblich unentschlossenen Haltung zur DDR angegriffen worden war. Für sein politisches Engagement kennzeichnend ist, dass Fried die Resolution der “Gruppe 47“ gegen den Algerien-Krieg genauso unterstützte wie die Erklärung zum Krieg in Vietnam Ende 1965. Dieses Engagement spiegelt sich schon im berühmt gewordenen Titel eines wichtigen Gedichtbandes wider: “und Vietnam und“ (1966).

In den 1960er Jahren trat Fried als Shakespeare-Übersetzer hervor (insgesamt legte er 27 Stücke in neuer Textgestalt vor), er besuchte im April 1967 das frühere Vernichtungslager Auschwitz und er schrieb während des Sechstagekrieges in Israel das umstrittene Gedicht “Höre Israel“. 1965 heiratete er Catherine Boswell. Aus dieser Ehe gingen die Tochter Petra (*1965) sowie die Zwillinge Klaus und Tom (*1969) hervor. Ungemein wichtig wurde für Fried die Studentenbewegung des Jahres 1968. Hier nahm er auf Vortragsreisen, Diskussions- und Solidaritätsveranstaltungen zu vielen politischen Fragen Stellung, unter anderem protestierte er gegen die bundesdeutsche Notstandsgesetzgebung oder gegen die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg. Eine enge Freundschaft verband ihn mit dem Berliner Studentenführer Rudi Dutschke, dem er nach einem Attentat Zuflucht in London gewährte. Auch mit Ulrike Meinhof fühlte er sich verbunden. Erhebliche Angriffe aus der Öffentlichkeit handelte sich Fried mit der Grabrede für Ulrike Meinhof ein, in der er sie als “größte deutsche Frau seit Rosa Luxemburg“ bezeichnete.

Obwohl Fried all dies etliche Klagen einbrachte, wurde er doch weithin als streitbarer Schriftsteller mit humanistisch motivierter Zivilcourage respektiert. Als solcher nahm er auch am 1. Österreichischen Schriftstellerkongress im März 1981 teil, wo er mit dem Vortrag “Die Freiheit zu sehen, wo man bleibt“ für Aufsehen sorgte. Anlässlich des österreichischen Nationalfeiertages 1984 hielt er – der seit 1982 wieder österreichischer Staatsbürger war – im Wiener Volkstheater die wichtige Rede “Einige Worte zu Österreichs kultureller Eigenart“.

Obwohl Fried mehrmals Übersiedlungen nach Deutschland oder Österreich erwogen hatte und sich einen guten Teil des Jahres in Deutschland aufhielt, behielt er neben seiner 1949 erworbenen britischen Staatsbürgerschaft auch seinen Wohnsitz in London bei. Er verstarb auf einer Vortragsreise.

Im November 1998 erhielt das Bundesrealgymnasium 9 (Glasergasse 25) den Namen "Erich-Fried-Realgymnasium"; im Juni 2013 wurde in Wien-Donaustadt eine Verkehrsfläche nach dem Schriftsteller benannt (Erich-Fried-Weg).

Literatur

  • Heribert Sturm: Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. München: Oldenbourg 1974 - lfd.
  • Peter Ernst: Wiener Literaturgedenkstätten. Hg. von Felix Czeike. Wien: J & V-Edition Wien-Verlag 1990
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992
  • Adalbert Schmidt: Dichtung und Dichter Österreichs im 19. und 20. Jahrhundert. Band 2. Salzburg: Bergland-Buch 1964, S. 384
  • Lebendige Stadt. Almanach. Band 10. Wien: Amt für Kultur, Volksbildung und Schulverwaltung der Stadt Wien 1963
  • Harry Zohn: "...ich bin ein Sohn der deutschen Sprache nur...". Jüdisches Erbe in der österreichischen Literatur. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1986
  • Harry Zohn: Österreichische Juden in der Literatur. Ein bio-bibliographisches Lexikon. Tel Aviv: Olamenu 1969
  • Wilhelm Urbanek [Hg. im Auftrag des Bezirksmuseums Alsergrund]: Vor der Flucht. Texte und Dokumente mit dem Erstdruck von "Erich Fried. Eine Kindheit in Wien. Erinnerungen 1921-1938". 2003
  • Volksstimme, 08.12.1988
  • Wochenpresse, 11.03.1988 (Erinnerungen an 1938)
  • Biographische Sammlung des Wiener Stadt- und Landesarchivs
  • Wienbibliothek im Rathaus/Tagblattarchiv: Fried, Erich [6 Mappen; Sign.: TP-013664]
  • Marcel Atze: „Ortlose Botschaft“. Der Freundeskreis H. G. Adler, Elias Canetti und Franz Baermann Steiner im englischen Exil. Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft 1998
  • Volker Kaukoreit: Vom Exil bis zum Protest gegen den Krieg in Vietnam. Frühe Stationen des Lyrikers Erich Fried. Werk und Biographie 1938-1966. Darmstadt: Häusser 1991
  • Volker Kaukoreit [Hg.]: 126, Westbourne Terrace. Erich Fried im Londoner Exil (1938-1945). Texte und Materialien. Wien: Turia und Kant 2001
  • Volker Kaukoreit [Hg.]: Am Alsergrund. Erich Frieds Jugendjahre in Wien (1921-1938). Texte und Dokumente. Wien: Turia und Kant 1995
  • Volker Kaukoreit [Hg.]: Einblicke – Durchblicke. Fundstücke und Werkstattberichte aus dem Nachlass von Erich Fried. Wien: Turia und Kant 1993
  • Volker Kaukoreit / Heinz Lunzer: Erich Fried und Österreich. Bausteine zu einer Beziehung. Wien: Dokumentationsstelle für Neuere Österreichische Literatur 1992 (Zirkular. Sondernummer 33)
  • Österreichische Nationalbibliothek/Literaturarchiv: Erich Fried. URL: http://www.onb.ac.at/sammlungen/litarchiv/bestaende_det.php?id=fried [Stand: 03.08.2015]

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