Wanda Lanzer

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Daten zur Person
Personenname Lanzer, Wanda
Abweichende Namensform Landau, Wanda
Titel Dr.
Geschlecht weiblich
PageID 45065
GND 132977117
Wikidata Q59653238
Geburtsdatum 25. Mai 1896
Geburtsort Wien
Sterbedatum 17. November 1980
Sterbeort Wien
Beruf Journalistin, Herausgeberin, Bibliothekarin
Parteizugehörigkeit Sozialdemokratische Arbeiterpartei
Ereignis
Nachlass/Vorlass Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung
Objektbezug
Quelle
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Recherche
Letzte Änderung am 1.12.2023 durch WIEN1.lanm09krs
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 7., Siebensterngasse 20/2/15 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Wanda Lanzer, * 25. Mai 1896 Wien, † 17. November 1980 Wien, Journalistin, Herausgeberin, Bibliothekarin und Nachlassbearbeiterin.

Biographie

Wanda Janina Lanzer wurde als Tochter polnischer Emigranten in Wien geboren. Ihr Vater Max Landau arbeitete als Rechtsanwalt und unterhielt mit seiner Ehefrau Helene Landau einen Treffpunkt für emigrierte polnische Sozialdemokraten in Wien (u.a. Ignaz Daszynski, Max Diamand, Herman Liebermann). Die beiden Brüder von Wanda Lanzer starben früh (Leszek Landau, 1897–1923 und Wladyslaw Landau, 1906–1933). Helene Landau, die in der Schweiz Staatswissenschaften studiert hatte (Promotion 1905), trennte sich später von ihrem Ehemann und heiratete nach dem Ersten Weltkrieg Otto Bauer. Wanda Landau war ab 1925 mit dem Juristen Felix Lanzer, Magistratsbeamter bei der Gemeinde Wien, verheiratet. Das Paar hatte zwei Töchter.

Wanda Lanzer besuchte zunächst die Volks- und Bürgerschule und anschließend ein Jahr lang ein Mädchenlyzeum in Wien Döbling. 1911 übersiedelte sie mit ihrem Vater und ihren beiden Brüdern nach Lemberg. Helene Landau war in Wien geblieben, besuchte die Familie allerdings regelmäßig. 1914 maturierte Wanda Lanzer in Lemberg und unterrichtete danach Deutsch in einem polnischen Mädchengymnasium. 1918 trat sie aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft aus.

1922 kehrte Wanda Lanzer nach Wien zurück, zog zu ihrer Mutter und Otto Bauer in die Kasernengasse in Mariahilf und inskribierte an der Universität Wien Staatswissenschaften; 1924 promovierte sie mit einer Arbeit über "Marxistische Krisentheorie". Nach der Promotion trat sie in die Arbeiterkammer ein, wo sie bis 1934, als sie in Folge der Februarkämpfe aus politischen Gründen ihre Stelle verlor, beschäftigt war. Sie war zunächst in der Berufsberatung tätig, ab 1927 arbeitete sie als Bibliothekarin in der Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek der Wiener Arbeiterkammer.

Auf Wanda Lanzers Initiative geht die 1925 erfolgte Gründung des Vereins "Mittelschulkurs sozialistischer Arbeiter" zurück. Der Verein bot ArbeiterInnen und HandwerkerInnen die Möglichkeit, nach mehrjährigem Besuch einer Abendschule die Matura abzulegen. Was später unter dem Begriff "zweiter Bildungsweg" firmieren sollte, war zu diesem Zeitpunkt eine Novität und eröffnete neue Wege der Erwachsenenbildung. Bereits ab 1922 bot Wanda Lanzer die ersten Kurse an, organisierte entsprechende Räumlichkeiten, ehrenamtlich Lehrende und kümmerte sich nicht zuletzt um die Anerkennung der Lehrpläne und der durch den Kurs erworbenen Matura seitens der zuständigen Behörden. Bis zu seiner Auflösung 1938 ermöglichte der Verein lernwilligen Erwachsenen, unabhängig von ihrer Herkunft, die Matura zu erlangen und sich so den Hochschulzugang zu erarbeiten. Bis 1934 war Wanda Lanzer "Obmann" des Vereins. Zwischen 1925 und 1934 wurden neun, zwischen 1934 und 1938 zwei "entpolitisierte" Kursjahrgänge abgehalten, die von mehr als 2000 Interessierten begonnen wurden. 208 KursteilnehmerInnen schlossen mit der Matura ab, davon studierten und promovierten 67 Personen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Wanda Lanzers Initiative als Verein "Arbeitermittelschule" wieder aufgegriffen. Daraus ging das Gymnasium für Berufstätige hervor, das unter der Bezeichnung "Abendgymnasium Wien" in der Brünnerstraße untergebracht ist.

Wanda Lanzer war während der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund ihrer politischen Überzeugung und ihrer jüdischen Herkunft in doppelter Hinsicht gefährdet. Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurde in der Wohnung der Familie Lanzer von den Nationalsozialisten eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Danach verschwand Felix Lanzer spurlos, er wurde 1951 offiziell für tot erklärt. Über Intervention des schwedischen Sozialdemokraten und Außenministers Rickard Sandler konnte Wanda Lanzer mit ihrer jüngeren Tochter im April 1939 nach Stockholm emigrieren. Dort traf sie ihre ältere Tochter wieder, die bereits im Februar mit einem Kindertransport nach Schweden geschickt worden war. Wenig später folgte ihre Mutter Helene Bauer. Von der kleinen Unterstützung, die Bauer von der Sozialistischen Internationale erhielt, bestritt die Familie ihren Lebensunterhalt. In Stockholm stand die Familie mit österreichischen Emigranten wie Bruno Kreisky, Ernst Winkler, Franz Novy und Josef Pleyl in Kontakt.

Nach der Abreise Helene Bauers in die USA im Jahr 1941 war Wanda Lanzer finanziell wieder auf sich allein gestellt. Sie arbeitete unter anderem im Archiv des Stockholmer Rathauses, übernahm aber auch Übersetzungsarbeiten, Nachhilfeunterricht und andere Gelegenheitsarbeiten. Ab 1945 war sie als Dolmetscherin – sie beherrschte Deutsch, Polnisch, Schwedisch und Französisch – in der Betreuung von Holocaust-Überlebenden aus den befreiten Konzentrationslagern beschäftigt. 1949 fand Wanda Lanzer eine Anstellung im Stockholmer "Arbetarrörelsens Arkiv", dem Archiv der schwedischen Arbeiterbewegung, wo sie bis zu ihrer Pensionierung 1964 tätig war und als leitende Mitarbeiterin unter anderem den Nachlass von Hjalmar Branting bearbeitete.

Ab den frühen 1950er Jahren stand Wanda Lanzer wieder in Kontakt zu ehemaligen KollegInnen aus der Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek der Arbeiterkammer Wien und hielt sich in den 1950er und 1960er Jahren mehrmals in Wien auf. Bei einem dieser Aufenthalte, 1957, wurde sie mit den Vorarbeiten für das so genannte "Sozialarchiv" der Arbeiterkammer beauftragt. Nach ihrer Pensionierung im Stockholmer Archiv kehrte Wanda Lanzer 1964 nach Wien zurück und trat beruflich wieder in die Wiener Arbeiterkammer ein. Sie übernahm die Leitung des Sozialarchivs und zeichnete für die Aufarbeitung der Nachlässe von Viktor Adler und Friedrich Adler verantwortlich, die nach dem Tod von Friedrich Adler dem "Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung" (VGA) zur Betreuung übergeben worden waren. Zudem fungierte sie als Mitglied des Herausgeberkomitees der Werkausgabe ihres Stiefvaters Otto Bauer. Bis zu ihrem Tod zählte Wanda Lanzer zum Vorstand des "Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung". Sie starb am 17. November 1980 in Wien. Ihre Urne wurde nach Stockholm überstellt.

Auf Beschluss des Gemeinderatsausschusses für Kultur und Wissenschaft vom 4. Dezember 2018 wurde die Neue Musikmittelschule Stammersdorf (21., Regnerweg 6) in "Wanda-Lanzer-Schule" benannt. Bereits ein Jahr zuvor wurde die städtische Wohnhausanlage 13., Speisinger Straße 84-98 in Wanda-Lanzer-Hof benannt.

Werke

  • [gem. mit Gottfried Hatzl] Entstehen, Zerstörung und Wiederaufbau der Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek. In: Jahrbuch der Arbeiterkammer für Wien 1971 (1972), S. 375-382

Literatur

Link