Verlag Die Fackel

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Verlag "Die Fackel"
Daten zur Organisation
Art der Organisation Verlag
Datum von 1901
Datum bis 1939
Benannt nach
Prominente Personen Karl Kraus
PageID 74998
GND 16063972-4
WikidataID
Objektbezug Verlagsgeschichte, Karl Kraus (Portal)
Quelle Murray G. Hall: Österr. Verlagsgeschichte
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 4.04.2024 durch WIEN1.lanm09lue
Bildname Verlag Die Fackel .png
Bildunterschrift Verlag "Die Fackel"
  • 3., Hintere Zollamtsstraße 3

Frühere Adressierung

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst.

Es wurden noch keine Personen erfasst.


Verlag "Die Fackel". Der Verlag "Die Fackel" wurde im Herbst 1901 gegründet. Mit Erscheinen der 82. Nummer der Zeitschrift "Die Fackel" (Anfang Oktober 1901), die der Herausgeber Karl Kraus nicht mehr bei Moriz Frisch, sondern bei Jahoda & Siegel drucken ließ, wird zumindest das erste Mal der Verlag "Die Fackel" erwähnt. Anders als Moriz Frisch und sein Verlag Frisch & Co sowie Jahoda & Siegel hatte Kraus’ Verlag jedoch keine Verlagskonzession, der Verlag "Die Fackel" blieb somit ein Eigenverlag der Schriften von Karl Kraus. In ihm erschienen vor allem die Zeitschrift "Die Fackel", Sonderhefte derselben Zeitschrift sowie eines der Hauptwerke von Kraus, das monumentale Drama "Die letzten Tage der Menschheit".

Die Rolle der Druckerei Jahoda & Siegel ist bei der Verlagsaufstellung nicht zu unterschätzen: Kraus nutzte die vorhandene Struktur der Druckerei und so wurde der Verlag "Die Fackel" zur Nebenabteilung von Jahoda & Siegel. Die Buchhalterin der Druckerei, Frieda Wacha, war ab 1908 auch Sekretärin des Verlags "Die Fackel". Sie hat vor allem die Buchhaltung, aber auch die Koordination der Kommunikation mit der Druckerei sowie die Sichtung der täglich eingegangenen Korrespondenzen an den Verlag übernommen. Neben den Setzern der Druckerei zählte Wacha zu den wenigen, die Kraus’ schwer entzifferbare Schrift problemlos lesen konnten. Das Verhältnis zwischen Druckerei und Kraus war ein intensives und zeitaufwendiges: Bis ein "Fackel"-Heft zufriedenstellend gesetzt war, waren mehrere Drucke nötig, die von Kraus – mitunter an einem Tag – genauestens koordiniert wurden. Manchmal konnte es auch vorkommen, dass Kraus, der vor allem vom späten Abend bis in den frühen Morgen arbeitete, nachts bei der Druckerei klingelte, um eine Korrektur zu melden. Eine Person aus dem familiären Umfeld der Druckerei berichtete ebenfalls, dass Kraus von der Familie Jahoda regelrecht verehrt wurde. Diese Wertschätzung beruhte allerdings auf Gegenseitigkeit. Kraus hatte 1926 nicht nur eine Grabrede zum Tode seines Druckers Georg Jahoda gehalten, sondern drei Jahr zuvor das Gedicht "An meinen Drucker" zu dessen 60. Geburtstag verfasst. Dass Kraus seine Druckerei schätzte, zeigt sich auch anhand der Korrespondenz mit dem Kurt-Wolff-Verlag, bei dem Kraus 1915 einen zweiten Verlag gegründet hatte, den "Verlag der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff)". Einige der Einzelpublikationen, darunter auch die Gedicht-Sammlungen, wurden in diesem Ein-Mann-Verlag, der seine Publikationen bei der traditionellen Offizin Drugulin drucken ließ, veröffentlicht. Aus den Verlags-Korrespondenzen geht hervor, dass Kraus mit den Druckfahnen der Leipziger Druckerei oft unzufrieden war. Dass die Korrekturen nun zwischen zwei Städten, Leipzig und Wien, und nicht wie sonst zwischen der Lothringerstraße und der Hinteren Zollamtsstraße innerhalb Wiens, hin- und hergingen, wird die intensive Arbeit an den Texten wohl zusätzlich aufgehalten haben.

Für manche "Fackel"-Texte hatte Kraus’ eigener Verlag eine wichtige Funktion. Die meisten Leserbriefe beantwortete Kraus stets im Namen seines Verlags und nicht persönlich. Einige dieser Briefe ließ Kraus in der "Fackel" drucken, andere Verlagskorrespondenzen liegen noch unausgewertet im Karl Kraus-Archiv der Wienbibliothek im Rathaus. Einen Teil dieser mitunter satirischen Verlagskorrespondenz hat der Herausgeber der ersten Werkausgabe der Schriften von Karl Kraus, Heinrich Fischer, 1962 unter dem Titel "Mit vorzüglicher Hochachtung" veröffentlicht. Die strikte Verwendung der dritten Person Plural in Kraus’ Antworten verärgerte einige Korrespondenzpartner. Kraus ließ sich von solchen Beschwerden jedoch nicht beirren. Dieses Rollenspiel – Kraus selbst bezeichnete seine Maske als "bequem" – findet seinen Höhepunkt in der berühmten Nummer 890–905 "Warum die Fackel nicht erscheint", in der Kraus als Herausgeber der "Fackel" in Briefen mit dem Verlag "Die Fackel" auf über 300 Seiten mit sich selbst korrespondiert.

Der Verlag "Die Fackel" schrieb über die ersten drei Jahrzehnte seines Bestehens stets schwarze Zahlen. Ab den 1930ern jedoch arbeitete der Verlag defizitär. Er konnte sich zunächst über Kraus’ Vorlesungen halten, ab 1933 war dies nicht mehr der Fall: Der Verlag hatte enorme Einbußen zu verzeichnen, die unter anderem auf den Wegfall des deutschen Buchabsatzmarktes zurückzuführen sind. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme entschied sich Kraus gegen den Verkauf seiner Schriften in Deutschland. Auch sein noch immer in Leipzig befindliches Buchlager wurde 1934 nach Prag überführt. Die Verluste des Verlags blieben bis zu seinem Tod 1936 bestehen.

Der Verlag "Die Fackel" wurde aber auch nach Kraus’ Tod noch weitergeführt und von Oskar Samek, Kraus’ Anwalt, und Karl Járay vertreten. 1937 erschien in ihm die erste posthume Publikation, die von Kraus jahrelang überarbeitete Aufsatzsammlung "Die Sprache", die von einem der Nachlassverwalter, Philipp Berger, herausgegeben wurde. Erst 1939 wurde der Verlag "Die Fackel" aus dem Handelsregister gelöscht.


Literatur