Tabak

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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 23.06.2023 durch WIEN1.lanm08uns

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Der Begriff Tabak beschreibt eine Pflanze und eine daraus hergestellte legale nikotinhaltige Droge.

In Österreich war der Tabak bereits in den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts als Zierpflanze bekannt (Herbarium 1599). Das Tabakrauchen wurde hierzulande allerdings erst im Dreißigjährigen Krieg bekannt (Abraham a Sancta Clara spricht von der „Herba militaris", dem Soldatenkraut). Die ältesten Nachrichten über Tabakkonsum und Tabakanbau stammen aus der Zeit um 1650; der Tabakhandel breitete sich von Oberösterreich über das Gebiet der Monarchie aus (1669 wird Tabak bereits als allgemeines Konsumgut bezeichnet). Ab der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind Rauchverbote bekannt; in Wien wandte sich Leopold I. nach dem Brand der Hofburg (1668), den man auf unachtsames Rauchen zurückführte, ebenfalls gegen das Tabakrauchen, verlieh aber dennoch weiterhin (mit der Begründung, das Rauchverbot werde gar nicht eingehalten) entsprechende Privilegien. Neben dem Kau- und Schnupftabak setzte sich das Pfeifenrauchen durch (obwohl Tabakkauen, das sich vor allem in den unteren Bevölkerungsschichten großer Beliebtheit erfreute, noch um 1900 billiger war als das Rauchen). Das Pfeifenrauchen war in Wien im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert stärker verbreitet als in der maria-theresianischen und josephinischen Zeit, weil im Rokoko infolge der Verbreitung der bartlosen Gesichtsmode der Schnupftabak (der selbst in strengen Klöstern erlaubt war) stark verwendet wurde; zur Aufbewahrung des Schnupftabaks dienten eigens für diesen Zweck (teilweise künstlerisch ausgeführte) Tabakdosen.

Hatte (nach Johann Pezzl) in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts der Verkauf an Pfeifentabak kaum 5% des Konsums ausgemacht, so stieg er bis um 1800 rasant auf fast 50% an; die Englandbegeisterung und die Anwesenheit vieler Kaufleute und Reisender aus Norddeutschland und Westeuropa hatten wesentlich dazu beigetragen, und das begeisterte Aufgreifen der neuen Mode durch die Jugend machte das Pfeifenrauchen bald gesellschaftsfähig. Im Vormärz konzentrierte sich das Tabakverbot immer stärker auf das Rauchen im Freien (unter den Arretierungen auf öffentlichen Straßen lag dieses Delikt an der Spitze); in Lokalen nahm es jedoch stark überhand (gesonderte Zimmer, auch in Kaffeehäusern); die „gestopfte Kaffeehauspfeife" war im frühen 19. Jahrhundert ein selbstverständlicher Service. In Wien war das Rauchen auf den Straßen der Innenstadt, auf den Basteien, Brücken und Promenaden (beispielsweise Hauptallee, Wasserglacis), in der Nähe der Mautniederlagen, Magazine und Schildwachen sowie in Schönbrunn und Laxenburg verboten; neben der Feuergefährlichkeit wurde auch die „öffentliche Anständigkeit" als Begründung angeführt.

Im Vormärz erhielt der Kampf um die „Rauchfreiheit" allerdings bald auch eine politische Dimension (nicht zuletzt im Hinblick auf die französische Besetzung Wiens, denn die Franzosen kannten kein Rauchverbot in der Öffentlichkeit). Mehrfach wurden von der Polizeihofstelle die Rauchverbote erneuert (auch in der Praterordnung von 1818 hinsichtlich der Hauptallee). Am Hof war Rauchen verpönt (erst Franz Joseph I. änderte dies, weil er selbst Virginier rauchte). In den 40er Jahren wurde mit Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen ein scharfer Gegner des öffentlichen Rauchens Wiener Stadtkommandant. Das Einschreiten der Polizeiwache schürte allerdings in breiten Bevölkerungsschichten den Hass gegen diese und führte zu erbitterten Auseinandersetzungen und Schlägereien (beispielsweise im Universitätsviertel). Die Aufhebung des Rauchverbots in der Öffentlichkeit kam erst durch die Märzrevolution 1848 zustande (endgültige Außerkraftsetzung 1852). Für Arbeiter wurde die Pfeife zum Statussymbol, allerdings war diese inzwischen der Genuss des kleinen Mannes geworden; Dandies und Vermögende hatten sich längst der Zigarre zugewandt (erstmaliger Import bereits 1805 belegbar; 1811 erstmals den österreichischen Rauchern angeboten). Hatte sie sich anfangs nicht durchsetzen können, so blieb sie auch in der Folge (insbeonders wegen ihres Preises) auf gehobene Schichten beschränkt (1823 3,1 Millionen, 1842 29,5 Millionen und 1848 168 Millionen Stück); im Bürgertum galt die Zigarre im Vormärz als Zeichen revolutionärer Gesinnung, weshalb die Raucher von der Polizei auch bespitzelt wurden (Ludlamshöhle); man argumentierte, der Zigarrenraucher fliehe die Familie und komme daher in Wirts- und Kaffeehäusern mit unerwünschten Zeitungen in Kontakt, über die er mit Gleichgesinnten diskutiere.

In der zweiten Hälte des 19. Jahrhunderts war die Zigarre nur noch ein Zeichen von Behäbigkeit und Saturiertheit, der Inbegriff städtischer Lebensweise und kapitalistischer Denkungsart. Es gehörte noch lange zum guten Ton, nicht auf der Straße zu rauchen; Anstandsbücher widmeten den Örtlichkeiten, an denen nicht geraucht werden sollte, breiten Raum. Auch in den Wagen der Tramway-Gesellschaft (später auch der Städtischen Straßenbahn) war das Rauchen auf die Rauchercoupes beschränkt. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts gründeten die Sozialdemokraten Rauchklubs (Pfeifen), um in diesen ungestört politische Diskussionen abwickeln zu können, doch wurde dies von der Polizei bald unterbunden.

Nachdem bereits Mitte des 17. Jahrhunderts auf Tabak Einfuhrzölle eingehoben worden waren, entwickelte sich ab dem 19. Jahrhundert das österreichische Tabakmonopol zu einer bedeutenden staatlichen Einnahmequelle. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann die Zigarette (die von der Tabakregie erstmals 1843 erfolglos angeboten worden war, von der aber bei einem zweiten Versuch 1866 bereits 16 Millionen Stück abgesetzt wurden) als Zeichen einer schnelllebigen Zeit die Zigarre zu überflügeln; man ging von der Füllung mit Pfeifentabak ab und kreierte zahlreiche Sorten aus feingeschnittenen Tabakpflanzen, die mit verheißungsvollen Namen angeboten wurden. Der Verkauf stieg sprunghaft an (1876 52 Millionen, 1881 81 Millionen, 1887 533 Millionen, 1900 3 Milliarden und 1913 6 Milliarden Stück). Der erste öffentliche Zigarettenautomat wurde in Wien am 19. April 1899 aufgestellt. Bis in die 20er und 30er Jahre dominierten Orientzigaretten (1937 Anteil 70%), nach dem Zweiten Weltkrieg sank er auf unter 10% des Konsums; die erste Sorte mit amerikanischem Tabak war die „Jonny", besonders beliebt war damals die „Austria 2" beziehungsweise ab 1949 die „Donau" (1953 3 Milliarden, 1959 nur noch 574 Millionen Stück), die von der „Austria Drei" und der „Austria C" abgelöst wurde.

Austria Tabakwerke, Tabakhauptfabriken, Österreichisches Tabakmuseum.

Literatur

  • Ernst Trost: Zur allgemeinen Erleichterung. Kultur- und Wirtschaftsgeschichte des Tabaks in Österreich. 1985
  • Roman Sandgruber: Bittersüße Genüsse. Kulturgeschichte der Genußmittel: 1986, S. 91 ff., S. 146 ff., S. 159 ff.