Epidemie

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Baustelle eines Cholerakanals
Daten zum Begriff
Art des Begriffs Begriffsklärung
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Nachweisbar von
Nachweisbar bis
Objektbezug Antike, Mittelalter, Frühe Neuzeit, Langes 19. Jahrhundert
Quelle
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Letzte Änderung am 2.08.2023 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname WKN Cholerakanalbaustelle.jpg
Bildunterschrift Baustelle eines Cholerakanals

Begriffserklärungen

Eine Epidemie (oder Seuche) ist das verstärkte Auftreten von Krankheitsfällen ein und derselben Ursache innerhalb eines bestimmten Gebiets und Zeitraums. Das Wort hat einen griechischen Ursprung. Eine Pandemie ist eine regionübergreifende Ausbreitung einer Krankheit; im engeren Sinn wird unter Pandemie die Ausbreitung einer Infektionskrankheit verstanden. Im Unterschied zur Epidemie ist eine Pandemie örtlich nicht beschränkt. Auch das Wort Pandemie stammt aus dem Griechischen.

Das Zeitalter der Seuchen

Das Auftreten von Epidemien steht in engem Zusammenhang mit dem Zusammenleben in größeren Siedlungen und in weiterer Folge in Städten oder stadtähnlichen Orten. Die Übertragung der Krankheitserreger erfolgte durch Tiere (Zoonosen) und/oder von Mensch zu Mensch. Epidemien plagen das heutige Stadtgebiet seit der Antike. Unter Kaiser Mark Aurel kam es 166 n. Chr. zur nach ihm benannten Antoninischen Pest, der ersten großen Epidemie des Römischen Reichs. Aus medizinischer Sicht handelte es sich vermutlich eher um Blattern oder Masern. Ob das damalige römische Legionslager Vindobona und die Zivilstadt betroffen waren, ist nicht nachweisbar, aber durchaus möglich.

Die Sterblichkeitsentwicklung in Wien war vom Hochmittelalter bis in das dritte Viertel des 19. Jahrhunderts durch die häufige Wiederkehr von epidemischen Ausbrüchen gekennzeichnet. Die bedeutendsten epidemisch auftretenden Infektionskrankheiten waren Pest, Pocken (Blattern), Flecktyphus, Ruhr, Typhus. Auf Grund der unklaren Bezeichnungen und Beschreibungen in den zeitgenössischen Quellen lässt sich die Art der Seuche jedoch im Mittelalter und der Frühen Neuzeit nicht immer an modernen medizinischen Begriffen festmachen. Die mit Abstand größte Zahl an Menschenopfern dieser Epidemien forderte jedenfalls die eindeutig als solche identifizierbare Pest (Yersinia pestis). Die Pest trat erstmals im Jahr 1349 in Wien auf und dürfte etwa die Hälfte der Einwohner in kurzer Zeit hinweggerafft haben. Bezeichnet wurde sie auf Grund der auftretenden Beulen als "schwarzer Tod". Weitere schwere Pestepidemien sind in mittelalterlichen Quellen für die Jahre 1381, 1410/11 und 1436 dokumentiert. Im 16. und 17. Jahrhundert ereigneten sich solche nachweisbar 1506, 1521, 1541, 1563, 1570, 1586, 1654/55 und 1679.

Gegen den Ausbruch von Seuchen ergriffene Maßnahmen wurden seit 1541 in "Infektionsordnungen" festgeschrieben, jedoch zumeist nur nachlässig eingehalten. Zu den nach venezianischem Vorbild angeordneten Maßnahmen zählte die Kontrolle von Reisenden, die Sperrung von Häusern (Quarantäne) und die Umfunktionierung der Siechenals als Pestlazarett. Als weitere Quarantänespitäler dienten ab Mitte des 17. Jahrhunderts das Bäckenhäusel und der 1657 eröffnete Kontumazhof. Die Seuchenabwehr scheiterte aber in der Regel an den hygienischen Defiziten, da z.B. die Pest über Ratten und Rattenflöhe übertragen wird, und an der Nachlässigkeit der Kontrolle. außerdem reichten die Kapazitäten der Quarantänespitäler bei einem schweren Seuchenausbruch bei weitem nicht aus. Am Beginn des 18. Jahrhunderts wurde die Pest ein letztes Mal aus Ungarn eingeschleppt. Mit der Epidemie von 1713 verschwand sie aus Mitteleuropa. Dazu trug auch der Bau des "Pestkordons" an der Grenze zum Osmanischen Reich bei. Dieser wurde bei Nachrichten über Seuchenausbrüche im Osmanischen Reich geschlossen und Reisende durften nur nach einer Wartezeit in Quarantäne die Grenze passieren. Auch andere Epidemien dürften immer wieder in Abständen aufgetreten sein. Dazu zählte die Grippe, Typhus und Fleckfieber. Als größte Bedrohung wurde die Pest im Lauf des 18. Jahrhunderts von den Pocken, einer von Mensch zu Mensch übertragenen Viruserkrankung abgelöst. Im 18. und im dritten Viertel des 19. Jahrhundert traten häufig Pockenepidemien auf. Im Jahr 1753 entfielenwaren 15% aller Verstorbenen auf die Pocken. Viele Todesfälle forderten auch die Epidemien von 1777, 1784, 1786, 1787, 1790, 1794, 1796 und 1800. Im Jahr entfielen 18% aller Sterbefälle auf diese Krankheit. Die Todesfälle betrafen überproportional Kinder, doch auch immer wieder Erwachsene wie die habsburgischen Herrscher König Ferdinand IV. und Kaiser Joseph I.. Auch Maria Theresia erkrankte an den Pocken, überlebte die Krankheit jedoch. Am Beginn des 19. Jahrhunderts ging die Pocken- (Blattern-)mortalität nicht zuletzt auf Grund der Einführung der Kuhpockenimpfung schlagartig zurück. Nach ersten Testimpfungen schon 1798 wurden diese ab 1801 im großen Stil durchgeführt. In den Jahren 1802 bis 1804 waren nur ganz wenige Blatterntodesfälle festzustellen. Damit war die Krankheit aber keineswegs ausgerottet. Das lag daran, dass in Teilen der Bevölkerung Skepsis und Ängste vor einer Erkrankung durch die Impfung herrschten. Von 1830 bis 1860 fielen die Pockenepidemien eher schwach aus. Doch ab den 1860er Jahren nahm die Pockensterblichkeit wieder zu. Einen späten Höhepunkt erlebte die Blatternmortalität durch die pandemische Ausbreitung dieser Krankheit im Jahr 1871 im Zuge des deutsch-französischen Krieges. 1872 erreichte die Epidemie Wien. Von den rund 20.000 an Blattern Erkrankten starben noch im selben Jahr 3.334 Menschen; im Jahr darauf infolge einer Nachepidemie weitere 1.410. Im späten 19. Jahrhundert gelang es mittels verpflichtender Impfungen von Schulkindern die Gefahr durch diese Krankheit praktisch zu beseitigen.

Epidemien seit dem späten 19. Jahrhundert

Ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert spielten Epidemien eine immer geringere Rolle. Wohl stellten Masern, Scharlach und Diphterie noch eine gewisse Bedrohung für die Gesundheit der Kinder dar, aber der große Schrecken der Seuchen war vorbei. Dies sollte sich auch im Ersten Weltkrieg zeigen, als es weitgehend gelang die Einschleppung von Cholera, Typhus oder Ruhr von der Front zu verhindern. Dies gelang jedoch nicht mit der 1918 ausgebrochenen "Spanischen Grippe". Der besonders aggressive Virus grassierte im Herbst und Winter 1918 in Wien und kostete unter Berücksichtigung sekundärer Lungenentzündungen rund 9000 Wienerinnen und Wienern das Leben. In den folgenden Jahrzehnten blieben derartig gravierende Grippeepidemien zwar aus, aber sie stellten eine wiederkehrende Bedrohung besonders für die Gesundheit hochbetagter oder herzkranker Menschen dar. Die Gefahr der Ausbreitung größerer Epidemien bestand nach 1918 nur noch einmal, gegen Kriegsende 1945, als die Ver- und Entsorgung weitestgehend zusammenbrach. 1945 forderte vor allem eine Ruhrepidemie, aber auch die Verbreitung von Typhus und Diphterie mehr als 4.000 Opfer unter der Wiener Bevölkerung. Dank massenhafter Typhusimpfungen und – im Fall des Fleckfiebers – massiven Einsatzes von DDT gelang es allerdings noch im Lauf des Jahres 1945, eine weitere Ausbreitung dieser Epidemien zu verhindern. Seit 1946 bestand die Bedrohung der Wiener Bevölkerung durch Epidemien in erster Linie durch die Grippe. Doch dies änderte sich im März 2020 als auch Wien von der weltweiten Covid-19-Pandemie erfasst wurde.

Große Krankheitswellen in Wien

Siehe auch

Literatur

  • Edmund Frieß, Gustav Gugitz: Zur Pestperiode 1679-1680 in Wien. In: Monatsblatt des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 54 (1937), 119-122.
  • Gustav Gugitz: Die Wiener Pestepidemie von 1713 und ihr Ausmaß. Ein statistischer Versuch einer Richtigstellung. In: Wiener Geschichtsblätter 14 (1959) 87-91.
  • Richard von Krafft-Ebing: Zur Geschichte der Pest in Wien. Leipzig/Wien 1899
  • Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien. Zeitgenossen berichten, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 1995
  • Siegfried Rosenfeld: Die Grippeepidemie des Jahres 1918 in Österreich. Wien: Franz Deuticke 1921
  • Andreas Weigl: Demografischer Wandel in Wien: von 1945 bis in das ausgehende 20. Jahrhundert. In: Michael Dippelreiter (Hg.), Wien. Die Metamorphose einer Stadt, Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2013, 397-444.
  • Andreas Weigl: Demographischer Wandel und Modernisierung in Wien (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien 1), Wien: Pichler-Verlag 2000
  • Andreas Weigl: Wien im epidemiologischen Übergang: ein mitteleuropäischer Weg in die Moderne. In: Jörg Vögele, Wolfgang Woelk (Hg.): Stadt, Krankheit und Tod. Geschichte der städtischen Gesundheitsverhältnisse während der Epidemiologischen Transition (vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert) (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 62), Berlin: Dunker & Humblot 2000, 159-185.
  • Klaus Nüchtern / Andreas Weigl: "Da hilft nur der Klassiker Quarantäne". In: Falter 12/20, 18.03.2020, S. 42 - 43